Alles gut!?
Ich weiß nicht mehr, wann sich diese Redensart in den Wortschatz eingeschlichen hat. Plötzlich ist „alles gut“.
Schmeckt es dir? – Alles gut.
Soll ich dir das Gepäck abnehmen? – Alles gut.
Was macht dein Rücken? – Alles gut.
Es ist eben nicht alles gut...
Warum macht sich diese Floskel eigentlich auch in meiner Kommunikation immer mehr breit? Dabei hat doch spätestens die Pandemie viele Menschen spüren lassen: Es ist eben nicht alles gut: Pflegekräfte sind dauerhaft überlastet, nicht nur alleinerziehende Eltern am Limit, und in Punkto Solidarität und gesellschaftlicher Zusammenhalt ist auch nicht „alles gut“.
Im Leben der meisten Menschen ist nicht immer „alles gut“ – in meinem auch nicht. Also warum benutze auch ich diese Floskel? – Vielleicht aus einer Mischung aus Höflichkeit, Desinteresse und mangelnder Tiefe. Ich möchte den Gastgeber nicht beleidigen, wenn ich zugebe, dass mir das Essen nicht schmeckt. Ich möchte niemandem lästig sein und trage deshalb mein Gepäck selbst. Und ich habe gelernt, dass die Frage nach meinem Befinden in den seltensten Fällen ernst gemeint ist. Also belasse ich es bei einem nichtsagendem „Alles gut!“. Das ist weder Ja noch Nein, und es beendet das Gespräch zu diesem Thema sofort.
Eine Nebenwirkung der Pandemie
Vielleicht ärgert es mich deshalb, wenn ich mich dabei ertappe, dass ich dieses „alles gut“ nutze. Denn eigentlich möchte ich authentisch sein. Ich möchte höflich, aber ehrlich sagen, dass mir Salz am Essen fehlt, und ich möchte sagen können, dass mein Rücken so weh tut, dass mir schon meine Handtasche zu schwer ist.
Ich wünsche mir mehr echte Kommunikation. Das ist vielleicht auch eine Nebenwirkung der Pandemie: Je weniger Begegnungen und Gespräche in der Realität habe, umso wertvoller sind sie für mich. Ich möchte nicht von anderen mit einer unverbindlichen Floskel abgespeist werden. Ok, nicht in jedem Fahrstuhl möchte ich auf eine kurze höfliche Frage einen detaillierten Gesundheitsbericht. Aber doch mehr als ein „alles gut“.
So stelle ich mir das Paradies vor
In der Bibel ist nur zu Beginn, kurz nach der Schöpfung „alles gut“: Da heißt es „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut.“ (Genesis/ 1 Mose 1, 31) Schon kurze Zeit später ist nicht mehr alles gut. Und es wird es auch nicht mehr: Mord, Kriege, Vertreibung, Hunger und Leid durchziehen die Geschichten der Bibel und die Geschichte der Menschheit.
Aber als Christin vertraue ich darauf, dass am Ende alles gut wird. Ich glaube daran, dass sich die Verheißung erfüllt, dass Gott alle Tränen abwischt, alle Wunden heilt und allen Schaden wieder gut macht. So stelle ich mir das Paradies vor: Ich sitze entspannt an einem schönen Ort und kann aus vollem Herzen sagen: „Alles gut!“