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Mit Zeitung in der Kirche
Bild: pexels / rdne Stock Project

Mit Zeitung in der Kirche

Jens Haupt
Ein Beitrag von Jens Haupt, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Mit zwei Einkaufstaschen voller Lebensmittel bepackt, bin ich zu Fuß in unserem Stadtteil unterwegs. Der Einkaufszettel war abgearbeitet und ich ein bisschen erschöpft. Gern hätte ich die Straßenbahn genommen, das hätte aber gedauert.

Eine offene Kirchentür

Beim Nachhause schlendern komme ich an unserer Kirche vorbei. Die Tür steht offen, von drinnen sieht man den Lichtschein eines großen Leuchters im Eingang. Das lockt mich. Wunderbar, eine Gelegenheit für eine kleine Pause mit Sitzgelegenheit und Ruhe vor dem Straßenlärm.

Rast in der Kirche

Meine Einkaufstaschen neben mich gestellt, setzt ich mich in eine der hinteren Bänke. Meine Augen müssen sich erst an das Licht in der Kirche gewöhnen. Meine Ohren nehmen die Stille unter den hohen Bögen und draußen die gedämpften Laute der Straße wahr. Und ein Rascheln. Wie von einer Zeitung. Ich bin offensichtlich nicht allein. Ganz weit vorne steht ein Rollator.

Eine Zeitungsleserin in der Kirche

In der Sitzreihe daneben eine alte Dame, die in ihrer Zeitung blättert. Zuerst bin ich irritiert. Warum sitzt sie nicht in einem gemütlichen Café? Warum um Himmels willen in der Kirche? Macht man das? Ist die Kirche nicht zum stille werden und beten da? Die Konzentration und Andacht, mit der die Dame ihre Zeitung liest, fasziniert mich. Recht hat sie doch. Man sollte es genauso machen.

Ein guter Ort für Meldungen aller Art

Eine Kirche ist ein guter Ort für die ständigen Meldungen aus aller Welt. Es gibt so viel Verstörendes und Bedrückendes in den Nachrichten. Die Zeitungslektüre macht auch mich oft ratlos, manchmal wütend. Ich frage mich, in welcher Welt wir leben. Der Zeitungsleserin in der Kirche geht es womöglich genauso.

Lieber Gott, was ist da los?

Hier, in einer Kirche, kann ich direkt fragen: Lieber Gott, was ist da los? Wie können wir Menschen mit dem, was wir täglich hören und sehen, leben? Wie können wir unser Vertrauen in das Gute, unser menschliches Mitgefühl bewahren? Gott, wo bist du in alldem? In der Kirche sitzen, mit der Zeitung in der Hand, der beste Ort, die Last der vielen Informationen und Meinungen abzugeben. Ich werde es probieren.

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