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Aus Gottes Hand
Bild: Pixabay / 1857643

Aus Gottes Hand

Andrea Wöllenstein
Ein Beitrag von Andrea Wöllenstein, Evangelische Pfarrerin, Marburg
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„Von guten Mächten treu und still umgeben, erwarten wir getrost, was kommen mag“. So beginnt ein Lied, das gerne bei besonderen Gottesdiensten gesungen wird. Der Text ist von Dietrich Bonhoeffer. Es sind die letzten Zeilen, die von dem Theologen und Widerstands-kämpfer überliefert sind. 

Vor 79 Jahren die Ermordung Dietrich Bonhoeffers

Heute vor 79 Jahren, einen Monat vor Kriegsende, wurde er von den Nazis ermordet. Das Gedicht hat er zum Jahreswechsel 1944/45 als Gruß an seine Familie geschrieben. „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern,“ heißt es weiter, „des Leids gefüllt bist an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern, aus deiner guten und geliebten Hand.“ 

In welcher Situation er das Lied geschrieben hat

Mir stockt der Atem, wenn ich mir klarmache, in welcher Situation diese Sätze entstanden sind. Hand aufs Herz: Wer von uns würde nicht zittern, wenn wir einen gewaltsamen Tod vor Augen hätten? Statt zu klagen und zu verzweifeln, tröstet Bonhoeffer dieses Vertrauen: Er und sein Schicksal liegen in Gottes guter und geliebter Hand. 

Bonhoeffers Bild von Gott

Diese Hand gehört nicht einem allmchtigen Herrscher, der alles lenkt udn richtet.Wie ein Marionettenspieler, der die Fäden in der Hand hat. Wenn er zieht, dann müssen sich die Menschen bewegen. Wenn er den Faden loslässt, fallen alle, die daran hängen. Spätestens seit dem unbegreiflichen Grauen des Holocaust trägt dieses Gottesbild nicht mehr. Bonhoeffer erlebt vielmehr, dass Gott nah ist und mitgeht, auch in schweren Zeiten.

Die Hand - ein wichtiges Symbol für Gott

Im Alten Testament - und im Judentum bis heute - ist die Hand das wichtigste Symbol für Gott. Niemand hat Gott je gesehen, aber Menschen spüren und erleben Gottes Hand. „Du tust deine milde Hand auf und sättigst alles, was lebt, mit Wohlgefallen“, heißt es in den Psalmen (Ps. 145,16). Wo Gott seine Hand abwendet, gibt es keinen Segen. Manchmal scheint die Hand Gottes verborgen. Wir verstehen den Sinn nicht. Warum so viel Leid, Unrecht, Gewalt und Tod? Wo ist der gnädige und barmherzige Gott? 

Gott leidet mit denen, die Leid tragen

„Er weint mit den Weinenden.“ Diese Antwort haben Menschen aufgeschrieben, nachdem die römische Besatzung den Tempel in Jerusalem zerstört hat. Viele Menschen sind getötet oder verletzt worden. Und dann heißt es: „In jener Stunde weinte die rechte Hand Gottes, und fünf Tränenflüsse strömten hervor aus ihren fünf Fingern.“ (3. Henochbuch) 

Gott leidet mit den Leidtragenden und trägt sie hindurch. So mag es auch Dietrich Bonhoeffer erfahren haben. Dieses große Vertrauen höre ich aus seinen Worten: „Von guten Mächten treu und still umgeben, getröstet und behütet wunderbar. So will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr“ (EG 65)
 

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