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Zur Auferstehung aufstehen
Bild: Jill_Wellington_pixabay

Zur Auferstehung aufstehen

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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Manchmal stehen wir auf. / Stehen wir zur Auferstehung auf / Mitten am Tage / Mit unserem lebendigen Haar / Mit unserer atmenden Haut.

So beginnt ein Gedicht von Marie Luise Kaschnitz. Ich mag es, weil es die Auferstehung in das gewöhnliche Leben hineinholt. Mir gefällt die Idee: Auferstehung geschieht nicht erst nach dem Tod, sondern manchmal mitten am Tag. Nicht in einem neuen Körper, sondern mit den Haaren, die gerade verwuschelt sind, und mit der Haut, die gerade friert. Das Verb für Auferweckung (egeiro) ist im Griechischen das gleiche wie für das Aufwachen am Morgen. Im Aktiv meint es „jemanden aufwecken“ und im Passiv „aufgeweckt werden“.

Jesus war in neuer Weise wieder bei ihnen

Das älteste Zeugnis von der Auferstehung Jesu steht im Neuen Testament: „Jesus ist aufgeweckt worden“ (1 Kor 15,4) steht da wörtlich im Ersten Korintherbrief, auch wenn die meisten Übersetzungen schreiben: Er ist „auferweckt“ worden. Dadurch erhält der Ausdruck etwas Besonderes. Es ist auch etwas Besonderes, denn vorher heißt es über Jesus, dass er gestorben ist. „Jesus ist aufgeweckt worden“ – das war ein Bekenntnis zu Gott. Menschen, denen Jesus im Leben nahe war, haben nach seinem Tod am Kreuz nach einer Weile wieder seine Gegenwart gespürt. Jesus war in neuer Weise wieder um sie herum und bei ihnen, deshalb haben sie geglaubt: Der Gott allen Lebens hat Jesus aus seinem Todesschlaf in ein neues Leben geweckt. Und nicht nur Jesus. Auch die ersten Christusglaubenden haben selbst erfahren: Sie sind mit Christus zu einem neuen Leben aufgewacht. So schreibt es der Apostel Paulus: So wie Christus von den Toten aufgeweckt wurde, leben auch wir ein neues Leben (Vgl. Röm 6,4).

Aufgeweckt zu werden kann schön, aber auch hart sein

Aufgeweckt zu werden kann schön sein, etwa wenn mich das Sonnenlicht langsam in der Nase kitzelt, aber es kann auch hart sein, wenn morgens zum Beispiel der Müllwagen vorfährt und ich an seinen Geräuschen merke, dass ich verschlafen habe.

Auferweckt-Werden kann eine Glückserfahrung im Alltag sein

Bei Marie Luise Kaschnitz ist das Auferweckt-Werden eine Glückserfahrung im Alltag. Sie schreibt über die Auferstehung:

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken. / Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus. / Und dennoch leicht / Und dennoch unverwundbar / Geordnet in geheimnisvolle Ordnung / Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.“

– Ich mag ihr Gedicht, und ich kenne ähnliche Glücksmomente, zum Beispiel ein Wiedersehen mit einem lieben Menschen nach langer Zeit. Aber dennoch erlebe ich die Wirklichkeit heute zumeist anders: widerständiger und härter.

Es braucht ein Aufwachen in diese Wirklichkeiten

Wenn die Rechte von Menschen verachtet werden, die bei uns in Deutschland leben, kann ich keine geheimnisvolle Ordnung sehen. Und wenn Gottes Schöpfung rücksichtslos weiter ausgebeutet wird, werde ich auch bald nichts Unverwundbares mehr in ihr erkennen können. Ich glaube: Es braucht ein Aufwachen auch in diese Wirklichkeiten, bei vielen Menschen, auch bei mir selbst.

Harten Wirklichkeiten trotzen und Herzenswärme in die Welt bringen

Seit Sonntag feiern in Deutschland viele Christinnen und Christen die Osterzeit, fünfzig Tage lang bis Pfingsten das Fest der Auferweckung Christi. Wenn Menschen sich von Gottes Wort aufwecken lassen, der harten Wirklichkeit trotzen und Herzenswärme in die Welt bringen, dann stehen Menschen für mich zur Auferstehung auf. Auferstehung nicht erst nach dem Tod, sondern mitten im Leben.

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