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Un-Freund
Bild: Pixabay / Gerd Altmann

Un-Freund

Jens Haupt
Ein Beitrag von Jens Haupt, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Schnell ist es passiert. Eben war man sich noch einig: Gut, dass die Pandemie-Zeiten vorbei sind, und auf einmal geht es um die Impfungen. Die eine erinnert sich an den öffentlichen Druck, sich impfen zu lassen. Der andere ist froh über den Impfschutz.

Gegenseitige Vorwürfe sitzen tief

Und so gerät man schnell aneinander: Schwurblerin gegen Schlafschaf. Die gegenseitigen Vorwürfe sitzen tief. Es haben sich feste Bilder der „anderen“ eingeprägt. Es sind nicht nur Meinungsverschiedenheiten, sondern auch Verletzungen, die tiefer gehen. Man spürt den Zorn. Und geht im Streit auseinander. Ein blödes Gefühl bleibt zurück. Und Angst, dass es zu einem endgültigen Bruch führt. Man ist sich noch nicht feind, aber das Freundschaftliche ist weg. Wie nennt man diesen Zustand? Hat man sich verkracht, sich gar überworfen?

Vi blev uvenner - auf deutsch: Wir wurden Un-Freunde

Auf dänisch sagt man ganz einfach: Vi blev uvenner. Wir wurden Un-Freunde. Das gefällt mir gut. Das dänische Wort U-ven ist entschärft. Und es meint gleichzeitig ganz viele, unschöne Erfahrungen. Angefangen vom einfachen kleinen Streit bis hin zum tiefsten Zerwürfnis. U-ven ist man eben, wenn es gerade nicht freundlich und freundschaftlich gehen kann. Un-Freund heißt ja nicht gleich Feind oder Gegner. U-ven zu sein bedeutet ja immer auch, dass man wieder ein ven, ein Freund werden kann. Ob das auch mit dem Abstand zu den zwei Jahren Pandemie noch so werden kann? 

Mut haben, U-ven zu sein

Ich höre immer wieder, dass die persönlichen Ängste und Erfahrungen mit Corona in Gesprächen vermieden werden. Lieber nicht drüber reden. Und so bleibt diese Zeit der Elefant im Raum. Alle sehen ihn, aber keiner spricht es aus. Man könnte sich ja entzweien. Man könnte sich verlieren, den Kontakt abbrechen müssen. Ich möchte den Mut haben, im Moment U-ven, Un-Freund zu sein. Und zu wissen, dass da drin doch immer noch ein ven, ein Freund steckt.
 

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