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Ein Kreuz als Lebensbaum
Bild: congerdesign_pixabay

Ein Kreuz als Lebensbaum

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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Neulich war ich in einem Kloster in München zu Gast. Da stand bei einem Kreuz ein Satz, über den ich zuerst gestutzt habe: „Du nahmst mich in deine Sorge auf.“ Ich bin stehen geblieben, habe mir das große Kreuz angeschaut, das da im Lichthof des Klosterhauses stand, und dann hat mir der Satz ins Herz gesprochen. Ich dachte: Jesus hat mich in sein Sorgen aufgenommen, bei ihm kann ich mich mit meinen Ängsten bergen. In den Tagen davor hatte ich eine Freundin besucht, die schwer an Krebs erkrankt ist und vor der Frage steht, welche Art von Behandlung ihr helfen kann. Weitere Menschen sind mir eingefallen, um deren Sorge ich weiß, und so habe ich etwas von meinen Sorgen dort lassen können unter dem Kreuz.

Mit dem Kreuz tun sich viele schwer

Mit dem Kreuz tue ich mich sonst nicht immer leicht, und ich weiß von anderen, die sich damit schwertun. Für Menschen mit schweren Krankheiten oder in Ängsten um ihre Familie und ihre Kinder ist das Kreuz nicht unbedingt ein ermutigendes Symbol. Das ist kein Wunder. Die Kreuzesstrafe war zur Zeit Jesu eine der grausamsten Todesstrafen; am Kreuz wurden Menschen oft tagelang ausgestellt und zu Tode gefoltert. In der Zeit des Neuen Testaments haben Christusglaubende das Kreuz nur im Rückblick von der Auferstehung Jesu her annehmen können. Sie haben erfahren: Gott hat den gekreuzigten Jesus nicht im Tod gelassen, sondern auferweckt. Deshalb ist das Kreuz für sie langsam ein Zeichen des Lebens und der Zuversicht geworden. Das hat lange gedauert: Erst seit dem 4. Jahrhundert ist das Kreuz auch eines der wichtigsten Symbole des christlichen Glaubens.

Die Form dieses Kreuzes erinnert an den Baum des Lebens

Das Kreuz, das ich in dem Münchner Kloster gesehen habe, ist ein großer Lebensbaum, und der Gekreuzigte ist nicht von Schmerzen zerquält. Er hält die Arme erhoben, und sein Mund ist geöffnet, als wollte er Gott loben. Dieses Kreuz spricht von der Hoffnung, dass Gott mit dem Tod und der Auferweckung Jesu die Mächte des Todes überwunden hat. Seine Form erinnert an den Baum des Lebens, den Gott in der biblischen Schöpfungsgeschichte am Anfang in der Mitte des Paradiesgartens gepflanzt hat. Dieser Baum ist ein sichtbares Zeichen, dass Gott seiner ganzen Schöpfung Leben in Fülle versprochen hat.

Aus Sorgen wird neues Leben wachsen

Das harte Holz des Kreuzes kann zu einem Lebensbaum werden, zu einem Baum, an dem Äste ranken und Zweige blühen, an dem Blätter wachsen und Früchte, in dem Spechte knabbern, Nachtigallen singen und Eichhörnchen spielen. Das ist eine Aussicht, die mich trägt: Aus Sorgen wird neues Leben wachsen.

Ich darf meine Sorgen Jesus anvertrauen

Wenn ich meine Sorgen Jesus anvertraue, dann gebe ich sie ihm mit auf seinen Weg zum Leben in Fülle, auch wenn der Weg dahin hart ist, steinig und mit vielen Widerständen verbunden. Ich weiß: Die Sorge Jesu ist eine, auf dich ich mich verlassen kann, im Leben und im Sterben.

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