Auferstehung - Warum ich das glauben will
Musikauswahl: Kantor Uwe Krause
„Der Herr ist auferstanden!“ So grüßen sich Christen zum Osterfest. Sie verknüpfen damit die Hoffnung, dass auch sie vom Tod auferstehen werden. Daran möchte ich glauben. Ohne diese Aussicht, ohne diese Hoffnung, würde mir etwas Entscheidendes zum Leben fehlen. Warum ist mir das so wichtig? Und wie stelle ich es mir vor? Davon erzähle ich gerne.
"Er ist wahrhaftig auferstanden?"
Aber vorher will ich dem Zweifel Raum geben. Denn natürlich kenne auch ich die Zweifel, die man an der Auferstehung von den Toten haben kann. Der Ostergruß lässt sich auch anders aussprechen - staunend, skeptisch: „Er ist wahrhaftig auferstanden?“
Umfragen belegen alle Jahre wieder: Nur eine Minderheit glaubt daran, dass Gott die Menschen vom Tod auferweckt und ihnen ein neues himmlisches Leben schenkt. Das glauben auch unter den Mitgliedern der Kirchen viele nicht.
Der Zweifel eines Pfarrers
Sogar einzelne Pfarrer hatten daran schon ihre Zweifel. Überliefert ist ein Fall im 18. Jahrhundert in Preußen. Den zweifelnden Pfarrer wollte die Kirchengemeinde aus dem Amt entfernen. Doch das lehnte ihr oberster Dienstherr ab. König Friedrich der Große, geprägt von Toleranz, erklärte: „Der Pfarrer bleibt. Wenn er am Jüngsten Gericht nicht mit auferstehen will, kann er ruhig liegen bleiben.“ [i]
Musik: Salzburg vor 1160, Christ ist erstanden, Vocal Concert Dresden, Peter Kopp und Sebastian Knebel
Auch die Jügerinnen und Jünger zweifelten
Die Zweifel an der Auferstehung reichen weit zurück. Es gab sie vom ersten Tag an. Davon berichtet schon die Bibel. Jüngerinnen und Jünger Jesu besuchen das Grab, in das Jesus gelegt wurde. Sie stellen fest: Es ist leer. Engel weisen darauf hin, dass Jesus auferweckt wurde. Die Nachricht löst Skepsis aus: Kann das sein? Erst als sich der Auferstandene selbst zeigt, also den Beweis antritt, glauben es viele. (Lukas 24)
Die Korinther fragen Paulus: "Wie soll das gehen?"
Die Zweifel flackern jedoch immer neu auf. Beispiel Korinth. In dieser Stadt westlich von Athen hatte der Apostel Paulus eine christliche Gemeinde gegründet. Viele dort sind skeptisch. Sie fragen Paulus: „Wie soll das gehen? Wie stellst du dir das vor? Wir sehen doch, dass unsere Vorfahren in ihren Gräbern liegen.“
Paulus schreibt einen Brief
Darauf antwortet Paulus mit einem langen Brief. (1. Korinther 15) Darin gibt er zu, dass er es auch nicht genau weiß. Erst wenn man selbst so weit ist, wird man mehr erfahren. Bis dahin kann man es nur schemenhaft erahnen (1. Korinther 13,12f). Klar sind für Paulus nur zwei Aspekte. Zum ersten: Auferstehen wird nicht der Leib, wie er vorher war. Der ist Teil dieser Welt und bleibt darin. Man aufersteht in eine neue Existenz ganz anderer Art. Eine andere Form der Körperlichkeit. Und Drumherum ein ganz anderes, ewiges Dasein. Die Bibel nennt es das himmlische Reich Gottes. Dort trifft man alle wieder. Diejenigen, die man gerne wiedersehen möchte - die anderen allerdings auch.
Zum Reich Gottes gehört auch das Jüngste Gericht
Zum zweiten ist sich Paulus sicher: Zu diesem Reich Gottes gehört das Jüngste Gericht. Darin fließt ein, was im irdischen Leben geschehen ist. Wie ich mir dieses Jüngste Gericht vorstelle und was es für meinen Glauben bedeutet. Dazu später mehr.
Für Paulus ist die Auferstehung das Kernstück des Glaubens
Zunächst bleibe ich noch bei Paulus, und was er den Korinthern ans Herz legt. Für ihn ist die Auferstehung das Kernstück des Glaubens. Christen, die das nicht haben, bezeichnet er als die „elendesten Menschen“. Starke Worte. Er begründet sie so: Diejenigen, die nicht auf die Auferstehung hoffen, wissen zwar noch von der Liebe Jesu. Sie haben zwar noch die Sehnsucht nach dem sanften, friedlichen Leben, für das Jesus stand. Aber diese Vision wäre für sie gescheitert. Mit Jesus gescheitert am Kreuz. Damit stehen die Gefolgsleute von Jesus verlassen da – zwar immer noch mit ihrer Sehnsucht nach Liebe, nun aber ohne Hoffnung.
Doch Paulus ist sich sicher: Christus ist auferstanden, wahrhaftig auferstanden. Er hat die Tür zum Himmel geöffnet. Damit hat er nicht nur für sich, sondern auch für alle Menschen eine andere Perspektive eröffnet. Die reicht bis in die Ewigkeit hinein. Und sie bedeutet Hoffnung: Für das eigene Leben, für unsere Lieben und für die Welt als Ganze.
Das kann man natürlich bezweifeln. Es genügt ein Blick in die Welt. Dann fragt man sich: Wo zeigt sich Gott als Freund des Lebens und als Quelle der Liebe? Wo kann man davon wenigstens etwas erleben?
Ich lade zu einem Gedankenexperiment ein: Ich gehe davon aus, dass die Zweifel Recht haben. Es gäbe also keine Auferstehung. Und auch kein Jüngstes Gericht. Ist das dann besser?
Musik: Robert Jones, Der Herr erstand vom Tod - The Lord Is Ris´n Indeed, (The Embrass Singers unter Andrew Sims, Orgel: Caroline Roth)
Ein Gedankenexperiment: Keine Auferstehung von den Toten
Mein Gedankenexperiment lautet: keine Auferstehung von den Toten. Diese Zumutung des Glaubens gibt es nicht. Die Naturgesetze bestimmen alles. Tot ist tot. Mit dem Tod ist alles zu Ende.
Dann stehe ich am Grab meiner Lieben und sage: „Das war’s für Euch. Wir sehen uns nie wieder. Nur in meinen Erinnerungen kann ich euch noch eine Weile aufleben lassen.“ Und den zu jung Gestorbenen müsste man hinterherrufen: „Leider Pech gehabt.“
Das Leben hat einen Ursprung und eine Heimat
Ist das besser? Ich finde: Es ist zu wenig. Ich kann das nicht denken. Es passt nicht zu dem, was ich fühle. Und nicht zu dem, was ich sehe. Etwa im Krankenhaus oder auf dem Friedhof, wenn ich dort Abschied nehme von einem lieben Menschen. Beim Anblick des Körpers sehe und spüre ich: „Von dem Menschen ist nicht mehr alles da. Es fehlt etwas Wesentliches, das diesen Menschen ausgemacht hat. Das ist schon auf eine Reise gegangen.“ Ich denke dann: „Am Ziel dieser Reise wird es gut aufgehoben sein. Denn es kam von dort.“ Das Leben hat einen Ursprung und eine Heimat. Das finde ich sehr tröstlich.
Auch kein Jüngstes Gericht?
Dennoch bleibe ich noch bei meinem Gedankenexperiment: Es gäbe keine Auferstehung und auch kein Jüngstes Gericht. Dann könnte ich zu den Opfern von Krieg und Ungerechtigkeit nur sagen: „Für euch gibt es keine Hoffnung, dass euer Leid irgendwo angemessen gewürdigt wird. Auch keine Hoffnung, dass die Schuld der Täter irgendwann gesühnt wird. Denn menschliche Gerichte werden den Schrecken und die Schuld nicht ansatzweise aufarbeiten können. Ich finde: Es ist zu wenig. Ich kann das nicht denken. Es passt nicht zu dem, was ich fühle. Und nicht zu dem, was ich hoffe.
Ohne Auferstehung wäre Jesus nur ein gescheiterter Weltverbesserer
Ohne die Auferstehung ginge mir noch eine dritte Osterhoffnung verloren. Jesus wäre dann nur ein gescheiterter Weltverbesserer. Seine Botschaft der Liebe wäre an der harten Realität der Welt zerschellt. Das war’s. Indem Gott Jesus auferweckt, setzt er auch ein Hoffnungszeichen in die Welt: Frieden und Gerechtigkeit werden siegen. Ohne diese Hoffnung gäbe es keinen Grund mehr zu glauben, dass Kriege irgendwann einmal überwunden werden. Weil Menschen nun einmal sind, wie sie sind. Ich kann das Leben ohne diese Hoffnung nicht denken. Es passte nicht zu dem, was ich fühle. Ich würde über kurz oder lang verzweifeln.
Ohne Auferstehung fehlt die Hoffnung
Deshalb beende ich das Gedankenexperiment nun. Lieber halte ich fest an meiner Hoffnung auf die Auferstehung. Trotz aller Kriege, allem Elend und aller Sorgen – vielleicht sogar wegen ihnen. Ohne Auferstehung fehlte mir das Kernstück meiner Hoffnung. Denn ich hoffe: Gott nimmt sich der Menschen im Tod an. Gott verändert die Welt. Doch was erwartet einen in der Auferstehung?
Musik: Ubi caritas (Vokalensemble Sjaella)
Das Geheimnis der Auferstehung
Wie vollzieht sich die Auferstehung von den Toten? Das bleibt noch ein Geheimnis. Denn außer Jesus ist niemand zurückgekehrt. Niemand kann darüber berichten. Die Bibel spricht in Bildern darüber. Zu vielen dieser Bilder passt, was Menschen in heutiger Zeit mit Nahtod-Erfahrungen erlebt haben. Also, wenn sie zum Beispiel nach einem Unfall nicht gestorben sind, aber nahe dran gewesen ist.
Dieses neue Leben übersteigt irdisches Denken und Empfinden
Sie erzählen von einer Art himmlischen Licht. Raum und Zeit lösen sich auf. Ich nehme diese Erfahrungen nicht als Beweise für das Leben nach dem Tod. Aber ich finde es tröstlich, dass Menschen nah am Tod so etwas erleben. Tröstlich finde ich auch, was die Bilder der Bibel dazu sagen: Es gibt ein Himmelreich. Darin ist alles Leben mit Gott verbunden. Und auch miteinander. Dieses neue Leben übersteigt irdisches Denken und Empfinden.
Ich stelle es mir so vor: Im Himmelreich spielt alles noch einmal eine Rolle. Alles wird noch einmal gesehen und empfunden. Das bisherige Leben ist nicht vorbei, nicht sinnlos, sondern Teil dieser neuen Welt. In diesem Himmelreich – entgrenzt von Raum und Zeit – ist Vergangenes nicht für immer weg, sondern aufgehoben. Vielleicht ist es sogar so: Verpasstes kann noch gelebt werden. Alles Leben könnte zu seinem Sinn und an sein Ziel kommen. So könnte es sein, das Reich Gottes.
Die Vorstellung vom Jüngsten Gericht kann auch beängstigen
Doch das ist nicht nur tröstlich. Das kann einen auch beängstigen. Denn damit verbunden ist das biblische Bild vom Jüngsten Gericht. Für mich hat dieses sperrige Bild etwas mit Gerechtigkeit und sogar mit Liebe zu tun. Es ist gewiss ganz anders als alle weltlichen Gerichte, die man sich vorstellen kann. Denn im Jüngsten Gericht begegnet man Jesus Christus. Von ihm sagt die Bibel, dass er eigentlich nicht verurteilen, sondern retten will (Johannes 3,17ff).
Das eigene Leben noch einmal vor Augen haben - und die Auswirkung auf andere
Im Jüngsten Gericht stellt Christus einem das eigene Leben noch einmal vor Augen – und wie es sich auf andere ausgewirkt hat. Deshalb stelle ich mir vor, dass es die beängstigt, die anderen viel Leid zugefügt haben. Denn sie werden spüren, was sie anderen angetan haben. Sie werden alles nachempfinden: die Angst und die Wut und die Schmerzen ihrer Opfer. Und die Trauer Gottes darüber vermutlich auch. Ich gehe in meiner Vorstellung von Gottes Reich so weit, dass Diktatoren und Kriegsherren jeden einzelnen Tod, den sie befohlen haben, selbst nacherleben. Den Schmerz der Opfer und ihrer Hinterbliebenen. Auch die kaputten Leben der Gebrochenen werden sie nachempfinden. Jedes einzelne.
Der Schmerz der Opfer wird beachtet und gesühnt
Die Täter werden spüren, wie sie damit auch Gott selbst verletzt haben, denn Christus leidet in jedem Menschen mit (Matthäus, 25, 31 ff) Alles wird noch einmal gesehen, auch das Leid der Opfer. So geschieht himmlische Gerechtigkeit. Daraus werden die Opfer befreit hervorgehen, denn ihr Schmerz wird beachtet und gesühnt. Sie können ihr ungelebtes Leben nun leben. So stelle ich mir das Jüngste Gericht vor.
Ist das Wunschdenken? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Eines merke ich jedoch: Diese Vorstellung wirkt sich bei mir aus – und zwar schon jetzt.
Musik: Melchior Vulpius, Gelobt sei Gott im höchsten Thron (Stimmwerck)
Die Aussicht auf das Jüngste Gericht kann schon im Diesseits den eigenen Blick verändern
Die Aussicht auf das Jüngste Gericht kann einen beunruhigen. Und das soll sie wohl auch. Dort begegne ich Christus. Gemeinsam mit mir wird er mein Leben würdigen. Das verändert schon jetzt meinen Blick: Ich schaue genauer hin, was ich tue, was ich denke und empfinde. Insbesondere für die Verletzlichen auf dieser Welt, denn auf sie schaut Jesus Christus besonders aufmerksam.
Wie lebe ich jetzt schon so, dass ich mir selbst im Jüngsten Gericht noch einmal begegnen möchte?
Dabei überlege ich: Wie lebe ich jetzt schon so, dass ich mir selbst im Jüngsten Gericht noch einmal begegnen möchte? Wie gehe ich mit anderen Menschen um, auch mit anderen Lebewesen und der Natur? Würde ich das später selbst spüren wollen? Das macht mich jetzt schon sensibler für das Leben um mich herum. Aufmerksamer erkenne ich Momente, in denen es Menschen schlecht geht, in denen es ungerecht oder gar gewalttätig zugeht.
Jesus Christus hat allen Menschen die Gnade Gottes zugesagt
Eines ist dabei klar: So sehr ich mich auch bemühe, erfülle ich nicht einmal meine eigenen Ansprüche – ganz zu schweigen von den Ansprüchen Gottes an ein heiles Leben. Vor dem Scheitern muss ich aber keine Bange haben – weder jetzt noch im Jüngsten Gericht. Denn Jesus Christus hat mir und allen Menschen die Gnade Gottes zugesagt. Nur das zählt wirklich.
"Meine Hoffnung auf die Auferstehung vom Tod ist also keine Jenseits-Vertröstung"
Deshalb: Bei der Frage, ob ich auferstehe, ob ich in das Jüngste Gericht gehe, ob ich in das Reich Gottes komme, hängt alles nur davon ab: Glaube ich an Jesus Christus als den Retter des eigenen Lebens und der Welt. Wer sich ihm ganz anvertraut, bleibt immer in der Liebe Gottes. Sie trägt einen im Leben und im Sterben bis in das Reich Gottes hinein. Darin finde ich schon jetzt Trost, Hoffnung und Lebenskraft. Das bewahrt mich davor, an dieser Welt zu verzweifeln und es spornt mich an, schon jetzt Spuren der Auferstehung in die Welt zu legen – so gut ich kann. Meine Hoffnung auf die Auferstehung vom Tod ist also keine Jenseits-Vertröstung. Im Gegenteil: Sie wirkt sich bereits im Hier und Jetzt aus. So kann sich schon jetzt ein wenig Auferstehung ereignen! Deshalb halte ich trotz aller Zweifel daran fest. Es würde mir viel schwerer fallen, dies nicht zu glauben: „Der Herr ist auferstanden. Wahrhaftig auferstanden“.
Musik: Joachim Schreiber, Gloria (Kölner Vokalsolisten)
[i] Christian Graf von Krockow, Friedrich der Große. Ein Lebensbild, S. 117