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Darf ich dich das fragen?
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Darf ich dich das fragen?

Pia Baumann
Ein Beitrag von Pia Baumann, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Was denken andere über dich, was gar nicht stimmt? Wie fühlt es sich an, geliebt zu werden? Und: Wofür hast Du als Kind richtig Ärger bekommen?
Das ist nur eine kleine Auswahl von 111 Fragen aus einem Kartenspiel. Es trägt den Titel „Darf ich dich das fragen?“ Ausgedacht hat sich das Spiel Matze Hielscher. Er ist Medienunternehmer, Musiker, Autor und Podcaster.

Spannende Fragen im Interview

In seinem Interview-Podcast „Hotel Matze“ trifft er sich, wie er sagt, „mit schlauen und spannenden Menschen und versucht, mehr über sie zu erfahren.“ [1] Es sind prominente Schauspielerinnen, Journalisten, Politiker und Wissenschaftlerinnen. Er spricht mit ihnen über ihre Lebensgeschichte. Über Erfolge und Misserfolge. Einflüsse und Entscheidungen. Den Fußballtrainer Jürgen Klopp hat er gefragt: Was treibt dich eigentlich an? Von Olaf Scholz wollte er wissen: Wovor fürchtest du dich? Und mit der Schauspielerin Marie Bäumer suchte er Antworten auf die Frage: Wie geht man mit Veränderung um?

Zum Verstehen müssen wir mehr fragen

Matze Hielscher ist ein Meister im Fragen stellen. Und weil seine Fragen so gut funktionieren, hat er sie für ein Kartenspiel zusammengestellt. Hielscher empfiehlt, mit Familie, Freund*innen und mit dem Partner zu spielen. Aber auch mit Menschen, die man nicht so gut kennt. Mitfahrgelegenheit, Urlaubsbekanntschaft, Kolleginnen. Hielscher ist sich sicher: „Wenn wir alle uns besser verstehen wollen, dann müssen wir uns mehr fragen!“

Einander besser kennenlernen - auch in der Familie

Das ist eine gute Anregung, finde ich. Mir ist aufgefallen, dass manchmal in meinem Alltag wenig Platz für Fragen ist. Zumindest für solche, die über das Organisatorische hinausgehen. Deshalb habe ich mir das Spiel für meinen Geburtstag gekauft und auch gleich mit der ganzen Familie gespielt - ganz entspannt beim Geburtstags-Brunch. Meiner Tochter habe ich die erste Frage gestellt: Wie fühlt es sich an, geliebt zu werden? Ihre Antwort: Richtig gut. Das kam kurz und knapp, aber aus tiefster Seele.

Fragen halten Erinnerungen wach

Die nächste Frage ging an meinen Vater: Von ihm habe ich erfahren, warum er als Kind mal großen Ärger bekommen hat. Das weiß er heute noch. Er hatte seine Hose zerrissen. Und seine Mutter hat so geschimpft: „Siebzig Jahre hat die Hose gehalten, und du, du machst sie kaputt.“ Wir haben gelacht, als er das erzählt hat. Aber für meinen Vater und seine alleinerziehende Mutter war es damals, nach dem 2. Weltkrieg, ein kleines Drama. Es fehlte ihnen an allem. An Essen und auch an Kleidung. Eine kaputte Hose war nicht zu ersetzten.

Manche Fragen brauchen Zeit

Das Spiel „Darf ich dich das fragen“ hat uns allen Spaß gemacht. Es war interessant und erhellend. Aber: Ich habe auch gemerkt, manche Fragen lassen sich nicht schnell mal zwischendurch beantworten. Ich muss länger darüber nachdenken. Es sind Fragen wie: Wofür nutzt du deine Verantwortung?

Die Spielregeln sagen, ich muss nicht jede Frage beantworten. Ich kann „nein“ sagen und um eine andere Frage bitten. Das war an meinem Geburtstag gut für mich und für die unbeschwerte Feier. Doch die Fragen bleiben mir im Kopf.

Spazierengehen hilft beim Denken

Es gibt Fragen, auf die gibt es keine schnellen und einfachen Antworten. Wenn sich mir solche Fragen stellen, gehe ich manchmal spazieren.

Denn Spazierengehen hilft beim Denken. Das ist eine jahrhundertealte Erkenntnis. Schon Aristoteles philosophierte ausschließlich im Gehen. Unter freiem Himmel stellte er sich den Fragen seines Lebens. So wird es jedenfalls erzählt.

Unterwegs ins Gespräch kommen

Ich kann das bestätigen: Im Gehen bekomme ich den Kopf frei, hab neue Ideen oder kann ein Thema richtig durchdenken. Am besten funktioniert das, wenn ich dabei nicht allein unterwegs bin, sondern mit Menschen, denen ich vertraue. Schritt für Schritt wird im Gespräch vieles klarer.

Gespräche unterwegs gibt es auch in der Bibel

Ähnlich ist es auch in einer meiner Lieblingsgeschichten in der Bibel. Da sind zwei Menschen unterwegs. Ich nenne sie Hannah und Kleopas. Beide waren Freunde von Jesus. Sie waren dabei, als Jesus verhaftet wurde. Sie sahen, wie er starb. Wie er begraben wurde. Sie hatten ein Gerücht gehört: Frauen waren beim Grab, aber das Grab war leer. Engel waren dort. Die sagten: „Jesus ist nicht hier. Er ist auferstanden.“ Aber das konnten Hannah und Kleopas nicht glauben.

Fragen auf dem Weg

Während die beiden gehen, versuchen sie zu begreifen, was passiert ist. Sie reden. „Hannah, ich frage mich die ganze Zeit, wie es soweit kommen konnte? Warum musste Jesus sterben?“

Hannah zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es nicht“, sagt sie, „im Moment mache ich mir mehr Sorgen um die Zukunft, was aus unserer Gruppe wird, aus Petrus, Johannes, aus Maria und Martha und all den anderen? Wie soll es nur weitergehen ohne Jesus?“

Sorgen und Fragen teilen

Sie ringen mit ihren Fragen. Sind mit sich und ihren Sorgen beschäftigt. Während sie so hin und her überlegen, gesellt sich ein Mann zu ihnen. Hannah und Kleopas kennen ihn nicht. Er geht eine Weile mit und hört zu. Irgendwann spricht er Hannah und Kleopas an: „Worüber redet ihr da? Was bewegt euch? Darf ich euch das fragen?“ Mit seinen Fragen trifft er genau den richtigen Ton. Schritt für Schritt fangen Kleopas und Hannah an zu erzählen. Von ihrem Freund und Lehrer Jesus. Was er gesagt und was er getan hat. Wie er starb. Von dem Gerücht vom leeren Grab. Und davon, dass ihn seit drei Tagen niemand gesehen hat. Weder tot noch lebendig. Es tut ihnen gut, ihre Sorgen, Zweifel und ihre Ohnmacht zu teilen.

Nicht jede Frage braucht eine Antwort

Als sie wieder Zuhause ankommen, ist es spät geworden. Sie laden den Fremden zu sich ein. Und erst jetzt beim gemeinsamen Abendessen erkennen sie ihn: Jesus. Er ist der Fremde, der sie begleitet hat. Warum sie ihn vorher nicht erkannt haben, bleibt in der Geschichte offen. Worauf es ankommt: Plötzlich haben Hannah und Kleopas ein anderes, warmes Gefühl in ihren Herzen. Nicht alle ihre Fragen sind beantwortet. Aber das Reden und Gehen mit Jesus an ihrer Seite hat gutgetan. Die Last ist leichter geworden. Sie wissen: Sie sind nicht allein. Es geht weiter.

Fastenzeit: Zeit nehmen und nachdenken

Es geht weiter. Bis heute. Am Mittwoch hat die Fastenzeit begonnen. Christinnen und Christen erinnern sich ganz bewusst in diesen sieben Wochen bis Ostern an Jesus und sein Leben. Sie fasten oder nehmen sich Zeit zum Nachdenken und Beten. Unterstützung bietet dabei die Fastenaktion der evangelischen Kirche. Jedes Jahr gibt es einen Leitgedanken. Ein Motto. Dieses Jahr lautet es: „Sieben Wochen ohne Alleingänge“.

Sieben Wochen zum Rausgehen

Dem schließe ich mich an. Und nehme es wörtlich. Ich werde wieder mehr spazieren gehen. Nicht allein, sondern mit anderen zusammen.

Mit anderen spazieren – das ist eine der guten Erinnerungen, die ich an die Coronazeit habe. Da war ich oft draußen unterwegs. Mit der Familie und mit Freundinnen. Im Park oder im Wald. Wir sind stundenlang gelaufen und haben uns ausgetauscht. Darüber, wie es uns geht. Wir haben uns Fragen gestellt: Wie kommst du zurecht? Wie geht es deinen Kindern? Und auch: Wie geht es weiter? Was wird die Zukunft bringen?

Spazieren und reden macht frei

Mir hat das damals unglaublich geholfen. Die Meinung meiner Freundin oder meiner Mutter zu hören. Ich weiß noch: Mit jedem Schritt fühlte ich mich etwas freier. Und hoffnungsvoller. Wir würden das schaffen. Es würden andere Zeiten kommen.

Die Pandemie liegt glücklicherweise hinter uns. Aber jede Zeit hat ihre eignen Herausforderungen. Auch heute treiben mich Fragen um. Die Welt verändert sich. Vieles was mir wichtig ist, ist in Gefahr. Unsere Demokratie. Unser ganzer Planet. Ich frage mich: Welche Zukunft hinterlasse ich meinen Kindern?

Fragenstellen in der Fastenzeit

Die Fastenzeit ist eine gute Zeit um darüber nachzudenken. Bei regelmäßigen Spaziergängen mit Freunden und Familie. Und ich weiß auch schon, was ich für den ersten Ausflug einpacke. Das Spiel „Darf ich dich das fragen?“ von Matze Hielscher. Und ganz oben auf dem Stapel die Karte mit der Frage: Wofür nutzt du deine Verantwortung?

 


[1]https://mitvergnuegen.com/hotelmatze/

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