Gesehen werden
Auf dem Nachhauseweg von meiner Arbeitsstelle komme ich an mehreren Brücken vorbei. Diese Brücken verlaufen über die Bundesstraße, die dann oftmals gegen Nachmittag sehr vollgestopft ist. Lkw, Autos, Motorräder und ab und zu auch ein Bus. Alle fahren wegen des hohen Verkehrsaufkommens mit einer relativ niedrigen Geschwindigkeit. Im Radio laufen gerade die Nachrichten, als mir zwei Kinder auffallen, die auf der Brücke über der viel befahrenen Straße stehen. Sie winken unübersehbar mit beiden Armen, fast so, als würde man sich nach einem langen Abschied das erste Mal wiedertreffen.
Wie gut es tun kann, bewusst zu sehen, um dann gesehen zu werden
Ihre Gesichter strahlen und erst jetzt bemerke ich, was der Wunsch der beiden Jungs ist. Sie möchten von den Fahrzeugen, die unter der Brücke herfahren, gesehen werden. Ein tonnenschwerer Lastkraftwagen, der direkt vor mir fährt, hupt. Da springen die beiden Jungs in die Luft vor Freude. Ich entschließe mich kurzerhand mit meinem Autolicht Signale zu senden und zurückzuwinken. Obwohl es nur eine winzig kleine Geste war, hat diese sicher den beiden Kindern, dem Lkw-Fahrer und nicht zuletzt mir ein strahlendes Lächeln ins Gesichert gezaubert. Warum das so ist? Na klar, mir leuchtet ein, worum es den beiden Kindern ging: Sie wollten gesehen werden. Ein jeder Mensch genießt es, für einen kurzen Augenblick die volle Aufmerksamkeit zu bekommen. Wertschätzung ist wohltuend. Geliebt wollen wir alle werden. In der Bibel lese ich, Gott schreibt jeden einzelnen Namen von uns Menschen in seine Hand. Ich stelle mir vor, wie er sanft über seine Hand mit den unzähligen vielen Namen streicht und beschließe, ab morgen mal besonders darauf zu achten, wann es mir gelingt, meinen Mitmenschen einen gutgemeinten Blick und das Gefühl-des-Geliebt-seins zu schenken.