Die Frau mit den schwarzen Haaren
Der alte Mann, schlohweiße Haare, sitzt im Frisiersalon. Er will schön sein für die Welt. Die Welt bewundert und liebt den Mann.
Alexander von Humboldt und die Frau im Frisiersalon
Es ist Alexander von Humboldt (1769 – 1859). Er sitzt im Frisiersalon und wird gepflegt.
Eine junge Frau kommt herein. Eher ungepflegt. Sie hat lange schwarze Haare. Sie will ihre Haare nicht pflegen lassen, sondern verkaufen. Sie braucht Geld. Der Frisör freut sich. Das wird ein Schnäppchen. Die Frau will sechzig Franc, heute etwa fünf Euro. Der Frisör bietet einen Euro. Das Geschäft geht schief, scheinbar.
Er bittet um eine Schere
Aber da ist der alte Herr, Alexander von Humboldt. Weit gereist, viel geliebt mit seinen fast neunzig Jahren. Das ganze Wissen der Welt ist in seinem Kopf. Er hat Berge bestiegen und Flüsse befahren; Karten gezeichnet und Blumen gemalt. Er kennt die Welt. Vielleicht hasst er Schnäppchen. Er bittet um eine Schere. Der Frisör gibt sie ihm. Die Frau ist ängstlich. Der alte Herr steht aus dem Stuhl auf und geht zu der Frau.
Nur ein Haar schneidet er ihr ab
Ganz sanft fasst er die Frau am Kopf, sucht sich ein Haar. Ein langes, schwarzes Haar. Das schneidet er ab. Steckt es in seine Tasche. Dann drückt er der Frau einen Schein in die Hand. Die verschwindet schnell. Auf der Straße macht die Frau ihre Hand auf. Schaut sich das Geld an. Es sind fünfzig Euro. Für ein Haar. Sie erschrickt.
Ein Moment der Herzenswärme
Der alte Herr hat das gewusst. Er weiß alles. Das ganze Wissen der Welt ist in seinem Kopf. Aber Wissen allein genügt nicht, weiß der Alte auch. Wichtiger sind Güte und Herz. Sonst ist die Welt kalt. Die Schnäppchen retten uns nicht. Das ewige Rechnen macht krank. Was ist das Wissen der Welt gegen den einen Moment Herzenswärme? Nichts.
Liebe ist nicht ersetzbar
Wer gibt, bekommt auch, denkt Humboldt. Die Frau ist glücklich. Der Frisör ist beschämt. Humboldt ist zufrieden. Alles ist ersetzbar. Nur Liebe nicht. Liebe vergisst man nicht. Nie. Jeden Tag hört und liest man Geschichten von Liebe, von gütigen Herzen. Und dankt Gott im Stillen. Hoffentlich. Dass er uns nicht alleine lässt in der rauen Welt.