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Kontakt überwindet Einsamkeit
GettyImages/Cecilie_Arcurs

Kontakt überwindet Einsamkeit

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen
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„Ich war eine böse Frau.“ Das hat mir im Gespräch eine alte Frau gesagt, die ich in der Tagespflege besuche. Dort hatte ich sie oft als freundlichen Menschen erlebt, die gerne mit anderen zusammen ist, die sich einbringt, erzählt und mitmacht, wenn sie miteinander singen und sich betätigen. Aber dann dieser Satz:

"Ich war eine böse Frau"

„Ich war eine böse Frau“. Diese Aussage hat mich überrascht. Doch dann hat sie es mir erklärt: Sie lebt in der Hofreite, auf der sie und ihr Mann früher Landwirtschaft betrieben und für sich selbst gesorgt haben. Als ihr Mann gestorben ist, war sie zunächst allein in dem viel zu großen Haus. Deshalb war sie froh, als ihre Enkelin alles übernommen hat. So steht das Haus nicht so leer und die Enkelin kann für sie sorgen so gut es geht. Zumindest hatte das die Frau gehofft.

Die Enkelin kümmert sich nicht so, wie gedacht

Doch dann kam es anders: die Enkelin ist tagsüber auf der Arbeit in Frankfurt. Die Fahrt von dort nach Hause ist lang und verläuft nicht immer wie geplant. Sie kam deshalb unpünktlich zum Abendessen, hatte Sachen, die sie mitbringen sollte, vergessen. Zum Zuhören hatte sie keine Zeit. Die alte Frau beklagte sich häufig: „Ich glaube, ich bin ihr egal; aber so sind die jungen Leute!“ Allmählich wurde sie verbittert: sie legte sich regelrecht auf die Lauer, um den nächsten Fehler ihrer Enkelin zu entdecken und dann böse auf sie zu sein.

Die Tagespflege hat sie aus der Einsamkeit geholt

Doch sie war der Enkelin nicht egal. Die hatte sich nämlich Gedanken um ihre Großmutter gemacht und überlegt, wie sie ihr etwas Gutes tun könnte: So hat die Enkelin sie in die Tagespflege gebracht zu einem Schnuppertag. Seitdem kommt die Frau jeden Tag. Der Kontakt mit den anderen tut ihr gut und hat sie aus ihrer Einsamkeit und Verbitterung befreit. Jetzt fährt sie abends müde und glücklich nach Hause und ist der Enkelin nicht mehr böse.

Duldsam sein und zuversichtlich bleiben

„Ich war eine böse Frau“, sagt sie, „aber jetzt bin ich duldsam geworden“. Für mich steckt da eine zuversichtliche Haltung drin: Es wird vielleicht anders, aber es wird gut ausgehen. Mir gefällt diese Haltung. Und ich nehme mir vor, mich auch darin zu üben: Duldsam zu sein und zuversichtlich bleiben. Ehrliche Gespräche wie dieses helfen mir dabei und der gute Kontakt mit anderen Menschen auch.

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