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Ein Moment für die Ewigkeit - 110. Geb. von Willy Brandt
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Ein Moment für die Ewigkeit - 110. Geb. von Willy Brandt

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Ein Moment für die Ewigkeit. Und das ohne ein einziges Wort. Willy Brandt, der heute einhundertzehn Jahre alt würde, fällt auf die Knie.

1970 – Willy Brandt vor dem Ehrenmal in Warschau

In Warschau, vor dem Ehrenmal der „Helden im Warschauer Ghetto“. Dort hatten Nationalsozialisten die Juden von Warschau eingesperrt. Tausende wurden ermordet, als sie im Ghetto einen Aufstand versuchten.

Und dann, 1970, steht vor dem Ehrenmal ein deutscher Kanzler. Erst steht er still, dann fällt er auf die Knie. Ein Deutscher bittet um Vergebung. Ein Moment für die Ewigkeit.

Ein Kniefall und die Bitte um Verzeihung

Wenn ich den Namen Willy Brandt höre, fällt mir das ein. Es geht mir dann nicht um rechts oder links, um gute oder schlechte Politik - es geht mir um diese eine Geste.

Der deutsche Kanzler fällt auf die Knie und bittet um Vergebung. Das Bild ging um die Welt damals. Und die Welt staunt. Kann das wahr sein?, fragte man sich. Hatte der Kanzler das lange geplant? Nein, hat Brandt einmal gesagt. Er ahnte nur, dass es nicht bleiben konnte beim Niederlegen eines Kranzes. Wenn ein Deutscher vor jüdischen Helden steht, genügt es nicht, Schleifen an einem Kranz zu glätten. Dann muss mehr geglättet werden, wenn möglich.

Es geht um Einsicht von Schuld und die Bitte um Vergebung

Manches ist nie zu verzeihen, das wissen wir. Es gibt Schuld, die ist von Menschen nicht zu verzeihen. Darum geht es auch nicht. Es geht um die Bitte. Um Einsicht von Schuld und Bitte um Entschuldigung. Schuld darf man nicht einfach auf sich beruhen lassen. Man soll sie auch nicht verdrängen. Manchmal frage ich mich, ob und wie ich schuldig geworden bin - und wem gegenüber. Wenn mir dann etwas dämmert, versuche ich, es aus der Welt zu schaffen. Es lebt sich nicht gut mit Schuld.

Was die Bitte um Verzeihung bewirkt

Ich weiß nicht, ob andere mir verzeihen können. Ich will es aber versuchen. Schon die Bitte macht mich etwas leichter. Ich habe mein Möglichstes getan, denke ich dann. Mein Herz wird ruhiger. Auch weil ich ja hoffen kann, dass Gott vergibt, was Menschen nicht verzeihen können. Hauptsache, ich bitte darum. Gott wird schon hören, worum ich bitte.
 

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