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Maria mit dem Kopftuch
GettyImages/nicodemos

Maria mit dem Kopftuch

Ein Beitrag von Mirjam Jekel, Evangelische Theologin, Rüsselsheim
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In der S-Bahn. Mir gegenüber sitzt eine junge Frau. Sie trägt Kopftuch – unter einem blauen noch ein enges weißes. Mir fällt auf: Das sieht genauso aus wie viele Gemälde von Maria, der Mutter Jesu. Auf zahlreichen Bildern wird Maria mit Kopftuch dargestellt. Früher war es für christliche Frauen selbstverständlich, ihre Haare mit einem Tuch zu bedecken. Meine Großmütter trugen als junge Frauen Kopftuch. Das tat man so als ordentliche Frau.

Heute tragen meist nur Musliminnen und Nonnen Kopftuch in Deutschland

Heute tragen in Deutschland meist nur Musliminnen Kopftuch – und Nonnen. Bei Musliminnen ist es ein Aufreger-Thema. Denn immer noch gilt es vielen als Zeichen eines Glaubens, den sie als fremd empfinden, und als Zeichen für die Unterdrückung von Frauen.

Das Bild einer verschleierten Muslimin in einer Kirche - eine Provokation

In Frankfurt hing vor ein paar Jahren das Bild einer jungen muslimischen Frau mit Kopftuch an einer Kirche.[1] Die Installation war Teil einer Kunstausstellung. Es gab viel Kritik. Ja, wenn ein Marienbild da gehangen hätte – das wäre kein Problem gewesen. Obwohl Maria auch meistens mit Kopftuch dargestellt wird. Aber das Bild einer verschleierten Muslimin an einer Kirche – das empfanden viele als Provokation.

Maria mit dem Kopftuch ist Teil unsrer Kultur

Mir scheint: Es geht hier nicht um offene Haare oder Kopfbedeckung, sondern um das, was Menschen damit verbinden. Die Darstellung von Maria mit Kopftuch ist vielen Menschen in Deutschland vertraut. Sie ordnen sie als Teil der eigenen Kultur ein. Maria, die junge Frau aus dem heutigen Nahen Osten, ist eine von „uns“, Teil des sogenannten christlich-jüdischen Abendlands. Und da stört das Kopftuch nicht.

Eine Muslima mit Kopftuch ist "fremd", obwohl sie Teil der deutschen Gesellschaft sind

Anders ist das bei muslimischen Frauen. Sie haben einen anderen Glauben, einen anderen kulturellen Hintergrund – und schon haben viele das Gefühl: Das ist „fremd“. Dabei sind Musliminnen, ob mit oder ohne Kopftuch, jetzt schon seit langem Teil der deutschen Gesellschaft. Sie gehören dazu, genauso wie meine Großmütter oder wie Nonnen. Und es gibt unter Musliminnen unterschiedliche Motivationen, das Kopftuch zu tragen – oder auch abzulehnen.

Natürlich gibt es gute Gründe, dem Kopftuch gegenüber skeptisch zu sein. Ich finde es fragwürdig, dass ein Stück Stoff über die Tugend einer Frau entscheiden soll. Und dass manche Frauen unter hohem Druck stehen, ein Kopftuch zu tragen, ist nicht in Ordnung.

Aber: Ich glaube nicht, dass ein Verbot Menschen hilft. Vor allem, wenn dahinter solche Ressentiments stecken. Stattdessen will ich Menschen respektieren – gerade die, die mir erstmal fremd erscheinen. Dann lerne ich auch Überraschendes. Zum Beispiel, dass viele muslimische Frauen vehement gegen das Kopftuch sind. Oder dass es hunderte verschiedene Stile gibt, es zu tragen – und viele Frauen sich damit wohl fühlen. Ich halte für mich fest: Zwischen Maria damals und Frauen mit Kopftuch heute gibt es zwar Unterschiede. Aber beide gehören dazu.

 


[1]www.journal-frankfurt.de.

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