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Das gelobte Land am Esstisch
GettyImages/VioletaStoimenova

Das gelobte Land am Esstisch

Hannah Woernle
Ein Beitrag von Hannah Woernle, Evangelische Pfarrerin in Alsbach/Bergstraße
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Bei meinem letzten Besuch in Berlin war ich in einem Restaurant mit einem verheißungsvollen Namen: „Kanaan“. So heißt in der Bibel das sogenannte Gelobte Land. Das Gelobte Land – mitten in Berlin?

Ein Israeli und ein Palästinenser führen gemeinsam ein Restaurant

Das Restaurant Kanaan ist tatsächlich besonders. Nicht nur, weil der Hummus mit gekochtem Ei und Aubergine so schön cremig ist. Sondern vor allem, weil ein Israeli und ein Palästinenser den Laden gemeinsam führen. Oz Ben David ist in einer israelischen Siedlung aufgewachsen. Konflikte mit den Palästinensern dort gehörten für ihn als Jugendlicher zum Alltag.[1] Umso erstaunlicher, dass er später ausgerechnet mit dem Palästinenser Jalil Dabit ein Restaurant eröffnet. Am Anfang waren sie Geschäftspartner. Beim gemeinsamen Kochen sind sie Freunde geworden.

Brücken bauen aus Hummus und frischem Salat

Ihre Vision: Sie wollen die kulinarischen Traditionen ihrer Familien verbinden. Sie wollen zeigen, dass das möglich ist: Ein Israeli und ein Palästinenser arbeiten friedlich miteinander. Über die Gräben, die sie aus dem Konflikt in ihrer Heimat kennen, bauen sie Brücken. Brücken aus Hummus und frischem Salat, Pitabrot und Karotten-Dattel-Kuchen.

Kanaan - ein Sehnsuchtsort in der Bibel

Kanaan, der Name ihres Restaurants, ist in der Bibel ein Sehnsuchtsort. Dem Nomaden Abraham wird dieses Land als Heimat versprochen. Ein Ort, an dem er mit seiner Familie endlich ankommen kann. Abraham gilt als Stammvater für drei Weltreligionen: Judentum, Christentum und Islam. Kanaan, die Vorstellung vom Gelobten Land, könnte sie alle verbinden.

Den ‚Tisch öffnen‘ und Menschen aus aller Welt zusammenbringen

Als ich mir im Berliner Restaurant Kanaan Falafel schmecken lasse, denke ich: Der Name passt. Denn dieser Ort ist auch ein Sehnsuchtsort. Die beiden Inhaber wollen Menschen aus aller Welt zusammenbringen. Sie wollen den ‚Tisch öffnen‘. So nennt man das in ihrer Heimat. Wenn ein Tisch gedeckt wird mit viele kleinen Schälchen mit Oliven und würzigen Dips, Tellern mit in Öl gebratenen Auberginen, Tomaten und Kartoffeln. Alle dürfen sich bedienen. Ihr Restaurant ist für sie wie so ein Tisch, an dem alle Platz haben. Ganz egal, ob aus Israel oder Palästina, Schweden oder Eritrea, Berlin oder Darmstadt.

Um das Gelobte Land wurde schon in der Bibel heftig gekämpft

Die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Um das Gelobte Land wurde schon in der Bibel heftig gekämpft. Die Konflikte heute in Israel und Palästina reißen nicht ab. Umso mehr braucht es solche Orte wie das Restaurant Kanaan. Es ist ein Versuch, in Frieden miteinander zu leben. Mich hat der Restaurantbesuch von einem größeren Frieden träumen lassen. Das Essen, das so unterschiedliche Menschen gemeinsam kochen und miteinander teilen, ist wie ein Vorgeschmack auf das Gelobte Land.


[1]www.theguardian.com/food/2019/jul/07/war-and-peas-meets-the-chefs-working-together-across-the-divide.

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