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Die Blumen des Pharao
Bildquelle: pixabay

Die Blumen des Pharao

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
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Howard Carter, der Entdecker des Grabes von Pharao Tutenchamun, schrieb seinen ersten, ganz persönlichen Eindruck von dem sensationellen Fund in seinem Tagebuch nieder: „All die königliche Pracht, all die königliche Herrlichkeit, all der Glanz des Goldes verblasst gegen die armen, verdorrten Blumen, die noch im matten Schein ihrer einstigen Farben leuchteten.“

Der feste Glauben, dass die Verstorbenen im Jenseits weiterleben

Was waren das für Blumen, die die Angehörigen vor fast viertausend Jahren ihrem Verstorbenen ins Grab mitgegeben haben? Inzwischen hat man es herausgefunden: Es waren wohl Stockrosen, Rittersporn und weiße Lotosblüten. Wahrscheinlich rosa, blau und weiß. Weil man weiß, in welcher Jahreszeit sie blühen, kann man den Zeitpunkt der Bestattung rekonstruieren. Weiße Lotosblüten schließen sich am Tag und öffnen sich in der Nacht. Dann geben sie ihren Duft frei. Vielleicht waren sie ein symbolisches Zeichen für den festen Glauben der Ägypter, dass die Verstorbenen im Jenseits weiterleben.  Die Blumen waren ein letzter, liebevoller Gruß. Das ist ja auch hierzulande üblich. Mit einem Blumenkranz habe ich mich auch schon endgültig von einem lieben Verstorbenen verabschiedet. Diese Geste war das Letzte, was ich noch tun konnte.

Das gleiche Dufterlebnis wie die Ägypter vor 3500 Jahren

Düfte und Farben haben etwas gemeinsam: Sie sind flüchtig. Düfte verwehen schnell; Blühten verwelken, und ihre Farben verblassen mit der Zeit. Vor einigen Jahren ist es jedoch Wissenschaftlern sogar gelungen, den Duft der Blumen des Pharaos herauszufinden und wieder nach zu mischen. Ich finde die Idee faszinierend, dass ich heute genauso ein Dufterlebnis haben könnte, wie die Ägypter vor dreieinhalb tausend Jahren. Als ob die Zeit plötzlich für einen Atemzug stillstehen würde.

Die Blumen überbrückten die zeitliche Differenz

So war es vielleicht auch für Howard Carter. Er schreibt: „Die Blumen sprachen am eindringlichsten von der Flüchtigkeit der Jahrtausende.“ Die vertrockneten Blumen überbrückten die zeitliche Differenz der so weit auseinander liegenden Leben. Die vergangenen dreieinhalbtausend Jahre rückten plötzlich wie in einem Punkt zusammen. Vielleicht war es dieser Moment, der den Entdecker des einmaligen Pharaonengrabs so berührt hat?

Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag

Manchmal wünschte ich mir auch, dass Zeit stehen bliebe. Aber sie ist nun einmal so   flüchtig wie der Duft des Blumenkränzchens von Tutenchamun, und ich will sie jeden Tag bewusst schätzen. So wie ich mich täglich an den Blumen draußen freue, gerade jetzt im Spätsommer. Ich muss daran denken: Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag. Die Zeit steht in Gottes Händen. Und die meinige auch.

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