Ein Wort, das erlöst
Die Schuld ist groß. Es war ein dummer Satz, gedankenlos hingeworfen, erzählt Heinrich Böll in einer Weihnachtsgeschichte
(„So ward Abend und Morgen“). Wir erfahren nicht, wie der Satz heißt. Wir erfahren aber von der Verletzung der Frau. Seit Tagen spricht sie kein Wort mit ihrem Mann. So tief sitzt der Schmerz. Und das vor Weihnachten. Dazu noch die Sache mit dem Geschenk. Der Mann hat es sorgfältig ausgewählt. Es wird aber zu spät geschickt. Der Schalter ist zu. Er kann das Paket nicht mehr abholen. Mit leeren Händen kommt er zur schweigenden Frau, am Heiligen Abend. Wie soll das werden, denkt er.
Am späten Abend versucht er es wieder, voller Gram. Er wendet sich seiner Frau zu und sagt: Mein Geschenk liegt noch auf der Post … Ist das schlimm? Die Frau sieht zum Fenster hinaus. Es schneit. Sie schweigt. Aber dann, auf einmal, sagt sie ein Wort. Nein, sagt sie. Es ist also nicht schlimm. Der Mann ist erlöst. Ein paar Tränen kommen ihm. Nur ein einziges Wort. Wie ein Verzeihen. Jetzt ist Weihnachten, fühlt er.
Weihnachten ist Verzeihen. Da rechnet man keine Schuld mehr auf; denkt nicht mehr an das, was andere einem getan haben. Möglichst nicht. Da übt man Verzeihen. Wie Gott es tut. Er kommt einfach zur Welt. Fragt nicht nach Guten oder Bösen, nach arm oder reich. Er kommt, legt sich in die Welt. Als wolle er alles verzeihen, erst einmal. Und dann erlöst leben, wie wir. Man ist erlöst, wenn man verzeiht - oder einem verziehen wird. Es lebt sich dann besser. Unschuldiger. Als dürfe man noch einmal anfangen. Nur etwas klüger als vorher.