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Mädchenfarbe
Terri Cnudde/Pixabay

Mädchenfarbe

Claudia Sattler
Ein Beitrag von Claudia Sattler, Evangelische Pfarrerin, Herborn
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Meine Tochter greift in die Bonbontüte und holt zwei Bonbons raus. „Guck mal, Mama: Mädchenfarbe und Jungenfarbe!“, ruft sie begeistert und hat ein rosa und ein blaues Bonbon in der Hand. Ich bin entsetzt. Das habe ich ihr nicht beigebracht und sofort argumentiere ich, warum das keine Mädchen- und keine Jungenfarbe ist.

Aber natürlich hat sie irgendwie Recht. Bei Freunden gibt es zwei Kinderzimmer: Eins in rosa mit Pferde-Tapete und eins in blau mit Auto-Tapete. Ist doch klar, wer da wo schläft. Und wenn meine Tochter sich eine neue Zahnbürste aussuchen darf, hat sie eigentlich nur die Wahl zwischen rosa mit Prinzessin oder blau mit Pirat. Das ist beim Fahrradschloss und bei der Trinkflasche genauso.

Es ist für Eltern ganz schön anstrengend, aus dieser Rosa-Blau-Welt auszubrechen. Trotzdem versuche ich es immer wieder. Denn ich möchte nicht, dass meine Tochter auf eine Farbe festgelegt ist, dass sie nur Prinzessin, Meerjungfrau und Pferde mögen darf. Ich möchte, dass sie spielt, was ihr in den Sinn kommt: ob Eisverkäufer oder Polizistin, ob Bauarbeiter oder Lehrerin – von mir aus auch Prinzessin oder Pirat.

Die Welt ist nicht rosa und sie ist nicht blau. Die Welt ist bunt. Gott hat sie so gemacht und seinen Regenbogen in allen Farben darüber gespannt. Und da ist Platz für jede und jeden von uns. Gott legt uns nicht auf eine Farbe fest. Er teilt Mädchen und Jungen, Frauen und Männer nicht in bestimmte Rollenbilder auf. Die Bibel erzählt von Frauen, die in den Kampf gezogen sind, genauso wie von Männern, die gekocht haben. Gott hat uns ganz unterschiedlich geschaffen. Der eine mag gerne Erdbeereis, die andere Pistazie. Der eine lässt sich gerne retten, die andere liebt das Abenteuer. Wie langweilig wäre es, wenn alle auf eine Farbe oder eine Rolle festgelegt wären.

Bei uns ist die Diskussion über Mädchen- und Jungenfarbe erst einmal vom Tisch. Das liegt bestimmt auch daran, dass Onkel Michael uns am gleichen Nachmittag besucht hat. Er trug zu seiner blauen Hose ein schickes rosa Hemd.

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