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Brücken bauen
Bild: Aixklusiv/Pixabay

Brücken bauen

Andrea Weitzel
Ein Beitrag von Andrea Weitzel, Katholische Schulseelsorgerin und Religionslehrerin, Hanau
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Wie viele Füße mögen über sie gelaufen, gehüpft, gerannt, geradelt, getanzt sein? Wie viele Hände mögen sich an ihr gut festgehalten haben, um hinunter auf den Main zu blicken. Um zu schauen, ob er ruhig und glitzernd dahinfließt oder aufgewühlt und braun. Ob er gerade mehr oder weniger Wasser führt. Ob er wie vor einigen Wochen über seine Ufer tritt oder Boote und Schiffe sicher befördert.

Wegen dieser Ausblicke besonders beliebt, das ist die „Alte Mainbrücke“ zwischen Groß- und Kleinauheim. Leider ist sie in die Jahre gekommen und im letzten Sommer für unpassierbar erklärt worden. Ob es hier in Zukunft überhaupt eine Brücke geben wird – ob es zu einem günstigeren Neubau oder einer Sanierung kommen wird, … das bewegt hier die Menschen.

Auf zu neuen Ufern

Auch mich! Mir fehlt diese Brücke, über die ich unzählige Male mit lieben Menschen oder allein gegangen bin. Verwundert stelle ich fest, dass ich mir in den vergangenen Monaten keine neuen Wege gesucht habe. Lieber habe ich verzichtet, akzeptiert, angenommen, was nicht mehr möglich ist. Sicherlich braucht es eine solche Haltung in vielerlei Lebenssituationen. Aber ich ahne, die „Alte Mainbrücke“ könnte mich zu anderem herausfordern. Ich stelle mir vor, wie sie, noch immer stahlschwer auf ihren Pfeilern ruhend, mir zuruft: „Wach auf! Bewege dich! Entdecke neue Wege!“

Diese Herausforderung reizt mich. Ganz grundsätzlich! Ich kenne genügend Bereiche, in denen meines Erachtens eine neue Richtung guttäte. Sofort erscheinen vor meinem inneren Auge die ganz großen Themen: Familie, Beruf, Kirche, Gesellschaft, Politik, Klima – dicht gefolgt von einem nicht mehr ganz so innerlichen Seufzen.

Womit beginnen? Meine Gedanken schweifen zur Alten Mainbrücke. In ihrer unmittelbaren Nähe stehen zwei Kirchen: die evangelische Gustav-Adolf-Kirche und die römisch-katholische Paulskirche. Letztere ist meine Pfarrkirche, na, eigentlich war sie es. Denn die gemeindlichen Strukturen wachsen, vergrößern sich. In diesem Prozess bin ich mittendrin. Denke und arbeite daran mit, wie Menschen aus vorher verschiedenen Kirchengemeinden neue, gemeinsame Wege entdecken und leben können. Das ist nicht immer einfach. Veränderungen schrecken ab, Vertrautes wird vermisst.

Genau wie die Alte Mainbrücke! Und wenn ich einen neuen Weg suchen möchte, dann muss ich ein ganzes Stück weiter bis zur nächsten Mainbrücke laufen. Da brausen Autos laut an mir vorbei, da schlägt mir ein eisiger Wind entgegen. Das ist anders. Das mag ich nicht. Die Parallelen zu meinen Gemeindeerfahrungen liegen auf der Hand.

Neues zulassen, Altes loslassen

„Wach auf! Bewege dich! Entdecke neue Wege!“ Ist ja gut, ich wage den längeren und weiteren Weg. Und siehe da: Ich bin nicht allein! Da treffe ich bekannte Gesichter von meinen früheren Mainrunden. Da eröffnen sich neue Perspektiven auf den Main, der mich immer noch mit seinen vielen Gesichtern fasziniert.

Ist es das, was ich von dir lernen kann, Alte Mainbrücke? Liebgewonnenes loslassen und neue Lebensmöglichkeiten wagen? Wenn das so ist, dann wirst du mir in der Kirchengemeinde helfen! Vorstellen kann ich mir nämlich gut, dass die Großauheimer Gemeindemitglieder schnell verstehen, was du uns für unsere Gemeinde sagen kannst.

Denn während es nicht in unserer Entscheidung liegt, ob es einen Brückenneubau oder eine Sanierung gibt, können wir für die Zukunft unserer Kirche wählen: das krampfhafte Bewahren und Festhalten von in die Jahre gekommenen Strukturen oder eine neue Gemeinschaft!

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