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Egal wie schnell ich unterwegs bin, Gott fährt mit
Bild: Rudy and Peter Skitterians/Pixabay

Egal wie schnell ich unterwegs bin, Gott fährt mit

Andrea Weitzel
Ein Beitrag von Andrea Weitzel, Katholische Schulseelsorgerin und Religionslehrerin, Hanau
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Wir haben es getan! Wir haben unser innigst geliebtes Familienauto aus Umweltschutzgründen verkauft. Meine Familie ist jedoch noch da. Auch mit allem guten Willen sind an manchen Tagen manche unserer Ziele oder Termine mit Bus, Bahn oder Fahrrad absolut unerreichbar.

Also stehen mein Mann und ich an einem milden Frühjahrstag des vergangenen Jahres im Laden des nächsten Vespa-Händlers. Er entpuppt sich als erfahrener Kenner seines Gebietes. Und dann blinkt mich hinter den neuen bonbonfarbenen Modellen diese gebrauchte, silbrige Vespa mit dem schicken Ledersitz an. Liebe auf den ersten Blick, würde ich sagen. So unterzeichne ich nach einigen Tagen Bedenkzeit und aufschlussreichen Fachsimpeleien mit befreundeten Motorradfahrern den Kaufvertrag. Da staunt der Händler nicht schlecht, als ich zugeben muss, dass ich die nötigen Fahrstunden noch gar nicht absolviert habe. Zum Glück findet sich schnell ein Freund, der mich samt Vespa nach Hause fährt. Alles fühlt sich richtig gut an!

Gott ist mein Beifahrer

…bis zur ersten Fahrstunde: Aufregung pur! Doch mein Fahrlehrer entpuppt sich als eine perfekte Mischung aus Humor und Kompetenz. Er lehrt mich meine Vespa kennen, staffiert mich mit einem Headset aus – und traut mir zu, mich direkt auf die Vespa zu schwingen und hinter ihm herzufahren. Wo war nochmal der Anlasser? Wir lachen! So geht es los. Anscheinend stelle ich mich gar nicht so dumm in seinen Augen an, denn nach einigen Slaloms, Start- und Bremsübungen soll ich vorneweg fahren. Spontan verlässt mich der Mut, und ich zweifle an meinem ganzen Vorhaben. Es ist einfach die Hölle für mich. So viele neue Dinge gleichzeitig beachten. Dann noch der Wind. Und andere Autos sind dummerweise auch unterwegs. Was, wenn ich in einer Kurve einfach umkippe? Oder nicht schnell genug bremse? Trotz Fahrtwind wird es mir höllisch heißt. Mir bleibt nur die gut gelaunte Stimme in meinem Ohr. An ihr halte ich mich fest. Sie, die auf mich achtet, mir Tipps gibt und mir eine ganze Menge zutraut.

Diese Stimme stellt irgendwann die Frage aller Fragen: Was ich denn eigentlich in meinem beruflichen Leben so treiben würde? Kurzatmig presse ich heraus: Lehrerin wie du, Schule, Mädchenschule, Religion, Seelsorge und so. Und da geht es los: Fragen über Fragen sprudeln mir durch meine Kopfhörer entgegen: Wie es denn heute noch und überhaupt für mich möglich sei zu glauben? Wie ich mir Gott vorstellen würde? Die Schöpfung? Himmel und Hölle? Das sei doch ziemlich abwegig! Moment! Hat mein Fahrlehrer gerade die Existenz der „Hölle“ angezweifelt? Ich befinde mich gerade mittendrin!  

Aber mein Fahrlehrer ist ganz ruhig. Ich spüre seine Offenheit, Ehrlichkeit und echtes Interesse. Damit führt er mich nach und nach aus meiner eigenen Hölle hinaus: Über das Headset und zwischen Ansagen wie „nächste rechts“, „Blinker ausschalten“, „Knie hinter das Schutzblech“ – sprechen wir über Gott und die Welt. Tauschen Erfahrungen und Gedanken. Er lässt mich reden über Dinge, die mir vertraut sind, bei denen ich mich sicher fühle. So werde ich ruhiger und ruhiger. Und damit auch mein Fahrstil …

Kuppeln, bremsen, Gas geben: Gott lenkt und steuert mich

Im Nachhinein weiß ich nicht, wie bewusst mein Fahrlehrer mich in dieses Gespräch verwickelt hat. Jedenfalls hat er mir unbeabsichtigt eine Erfahrung geschenkt, die ich in dieser Situation am wenigsten erwartet hätte: Ich habe einen Funken von Gottes Nähe gespürt! Ehrlich! Mit einem Menschen, der von sich behauptet, mit Glauben wenig zu tun zu haben. Und so lehrt mich dieser eben nicht nur das Vespa fahren. Vielmehr lerne ich von ihm, dass ich Gott in den unmöglichsten, unerwarteten Situationen treffen kann – selbst auf einer Vespa. Oder wo und wie auch immer Menschen miteinander unterwegs sind. Ich hoffe sehr, meinen Fahrlehrer nicht zu vereinnahmen, wenn er mir immer als ein „Geschenk des Himmels“ in Erinnerung bleiben wird.

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