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Ich bin Schuld
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Ich bin Schuld

Christoph Neumann
Ein Beitrag von Christoph Neumann, Pastor i.R. Bund Freier Evangelischer Gemeinden, Friedrichsdorf
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"Ich bin schuld." So steht es auf einem Schild hinter dem Führerhausfenster eines LKW. Vorne, wo der Beifahrersitz ist, steht ein zweites Schild mit der Aufschrift: "Lothar". Lothar, der Lastwagenfahrer möchte also allen Verkehrsteilnehmern zu Kenntnis geben, dass er schuldig ist. Im Weiterfahren überlege ich: Warum stellt dieser Brummifahrer eine solche ungewöhnliche Botschaft in sein Fenster?

Lastwagen - nötig und doch nicht immer respektiert

Es gibt ja immer mehr Lastwagen, die durch unser Land rollen. Besonders wer es eilig hat, empfindet die großen Trucks als Behinderung der freien Fahrt. So mancher macht da seinem Ärger Luft. Mit Aufblinken oder mit der Hupe. Kurze Zeit später wollen jedoch alle im Supermarkt die frischen Lebensmittel kaufen, die eben noch im LKW auf der Autobahn unterwegs waren.

Lothar wehrt sich mit Ironie

Da hat sich Lothar, der LKW-Fahrer vielleicht eines Tages gesagt: Bitte, wenn Ihr es so wollt: Dann bin ich halt schuld. Ich, Lothar bin schuld am hohen Verkehrsaufkommen der Autobahnen, an der Luftverschmutzung und daran, dass ihr PKW-Fahrer nicht rechtzeitig ans Ziel kommt!

Warum oft Schuldige gesucht werden

Einen Schuldigen können die anderen immer gut gebrauchen. Den kann man für alle möglichen Missstände und Missgeschicke verantwortlich machen. Natürlich stimmt das nicht. Das weiß auch Lothar, der Lastwagenfahrer. Und er will, dass die anderen das ebenfalls erkennen. Deshalb greift er zu dem großen Wort SCHULD. Die anderen sollen merken, dass sie es sich gerade bequem machen und jemanden mit etwas beladen, um sich selbst davon zu entlasten. Der Volksmund sagt dazu "Sündenbock" und greift damit ein biblisches Wort auf.

Der Sündenbock

In biblischer Zeit haben die Israeliten dafür einen Ziegenbock genutzt. Ein Priester legte symbolisch die Schuld der im Gottesdienst versammelten Menschen auf dieses Tier. Dann wurde es als Opfertier in die Wüste gejagt. Damit sollte den Menschen gesagt sein: Ihr braucht euch nicht gegenseitig Schuld zuzuschieben. Die trägt jetzt ein anderer. Es ist besser, einen Ziegenbock als Opfertier in die Wüste zu schicken, als dass ihr Menschen euch gegenseitig durch Schuldzuweisungen einander das Leben schwer macht.

Ärger und Frust anders los werden

Dieser Brauch ist längst Vergangenheit. Ich glaube daran, dass ich meinen Ärger und Frust bei Gott loswerden kann. Und wenn dann auf der Autobahn mal vor mir ein Brummifahrer überholen will, kann ich statt Lichthupe oder Hupe vielleicht mal freundlich grüßen. Und Lothar, der LKW-Fahrer kann dann sein "Ich bin schuld"-Schild wegpacken.

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