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Die erste Macke
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Die erste Macke

Christoph Neumann
Ein Beitrag von Christoph Neumann, Pastor i.R. Bund Freier Evangelischer Gemeinden, Friedrichsdorf
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Meine Frau hat sie entdeckt. An einer Schublade in der neuen Küche. Eine richtig tiefe Delle an der Kante. Keine Ahnung, wie die hingekommen ist. Die erste Macke. Das wollten wir eigentlich vermeiden, denn es ist sehr ärgerlich.

Die erste Macke ist unvermeidlich

Nicht zum ersten Mal ist uns das passiert.Sie kommt immer wieder: die erste Macke. Wie ein unangenehmer Gast. Unangemeldet und plötzlich ist sie da: Da fahre ich mit dem neuen Auto in die Garage, und schon ist sie da, hässlich zu hören und dann auch zu sehen als Schramme an der Beifahrertür. Weil ich mich noch nicht an die Breite des neuen Fahrzeugs gewöhnt habe. Die kleine Macke am neuen Auto, sie kann mir die ganze Freude über das neue Auto nehmen.

Oder beim Abendessen im Wohnzimmer. Gerade haben wir die Wände neu gestrichen. Mit einem freundlichen und fröhlichen Gelb. Da greift jemand mit hungrigem Arm über den Tisch und trifft ein Glas Rotwein. Es kippt um und schon ist ein dunkelroter Weinfleck an der Wand.

Macken lassen sich selten restlos beseitigen

Die erste Macke führt natürlich zu Ärger. Besonders dann, wenn neue Sachen vermackt werden, für die wir tief ins Portemonnaie greifen mussten. Und nicht immer lässt sich die erste Macke anschließend restlos beseitigen. Die Schramme am Auto habe ich mit dem Lackstift ausgebessert. Und den Rotweinflecken mit Farbe überstrichen. Aber ganz weg gegangen sind die Macken nicht.

Natürlich wäre es gut, wenn die Küche oder das Auto auch nach vielen Jahren noch unbenutzt und wie neu aussehen würden. Das würde auch manchen Streit darüber ersparen, wer denn nun unvorsichtigerweise diese Macke verursacht hat.

Auch Menschen haben Macken

Die erste Macke – das gibt es nicht nur bei Gegenständen. Sondern auch bei Menschen. Damit meine ich eine besondere Verhaltensweise, die ich an einem Mitmenschen zunächst nicht gesehen habe. Dann entdecke ich sie und plötzlich fängt sie an mich zu ärgern. Zum Beispiel die Art und Weise, wie der Ehepartner oder die Kinder die Senf- und Mayo-Tube ausdrücken, wenn es Bratwurst und Pommes gibt.

Das Beste ist, sich mit den Macken anzufreunden

Wenn es um Macken geht, sieht man oft nur die der anderen. Die eigenen Macken aber nicht mehr. Und oft verstellen die Macken den Blick dafür, was man eigentlich Gutes aneinander hat. Ich glaube, das Beste wäre, sich mit der ersten Macke anzufreunden. Nicht dass ich sie unvorsichtigerweise einladen oder willentlich herbeiführen will. Damit tut man sich ja nichts Gutes.

Nur Gott ist makellos

Aber eben akzeptieren, dass sie kommen wird. Damit muss ich in mir anfangen. Anders denken. Abschied nehmen von der Meinung, dass makellos sein und bleiben müsste, was ich habe, oder vielleicht auch was ich bin. Denn natürlich ist klar: So ist das Leben nicht. Die erste Macke gehört dazu, sie wird kommen. Nur Gott ist vollkommen und makellos. Menschen können und brauchen es nicht zu sein.

Sich anzufreunden mit den Macken an den Möbeln und auch mit den kleinen störenden Verhaltensweisen der Mitmenschen - das könnte auch zu weniger Stress führen – nicht nur in der Familie. Ein paar Macken sind keine Katastrophe. Das Auto fährt trotz der Schramme tadellos. Das Kochen und Backen in der Küche macht auch mit der Delle an der Schublade immer noch Spaß.

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