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Vertraut den neuen Wegen …
Bild: Kingrise/Pixabay

Vertraut den neuen Wegen …

Stefan Buß
Ein Beitrag von Stefan Buß, Katholischer Pfarrer in der Innenstadtpfarrei St. Simplicius, Faustinus und Beatrix, Fulda
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Heute am Palmsonntag beginnt die Karwoche, der Weg des Gottessohnes in Leiden und Sterben, in Folter, Verspottung und Tod, aber am Ende auch mit seiner Auferstehung von den Togen. Die kommende Woche liegt in einer eigenartigen Spannung. Heute noch: „Hosanna dem Sohne David!“, am Karfreitag: „Ans Kreuz mit ihm!“, am Ende der Woche: „Halleluja, Jesus lebt!“

Das sollen die neuen Wege Gottes sein, die er geht und auf die er uns weist – wie es auch in dem Lied „Vertraut den neuen Wegen“ im Gesangbuch (GL 829) heißt.

Das ist abstoßend und ärgerlich, haben die einen gesagt – damals schon vor 2000 Jahren. Das ist absolut unlogisch und dumm – sagten die anderen damals. Paulus hat es so formuliert: „Das Wort vom Kreuz ist für die Juden ein Ärgernis und für die Griechen eine Torheit. Was Gott da tut, dass er Mensch wird, dass er leidet und stirbt – das ist doch unvorstellbar für viele Menschen bis heute. Das geht einfach nicht.

Bis heute tun sich Menschen schwer mit diesem Gedanken. Und schon vor 2000 Jahren wurden Christen als Esel verspottet, weil sie einen so dummen Gott am Kreuz verehrten. In einer römischen Katakombe wurde ein Bild gefunden, auf dem ein Mithäftling den christlichen Mithäftling verspottet. „Alexamenos betet seinen Gott an!“, heißt es dort, und es ist ein Kreuz zu sehen, an dem ein Mann mit einem Eselskopf hängt.

Ein neuer Weg oder eine Einbahnstraße?

Vertraut den neuen Wegen …

Das sind doch die alten Wege. Macht und Geld setzen sich durch, die Mächtigen triumphieren und die Verlierer sind am Ende die Dummen – wieder mal.

Vonwegen neue Wege – das ist doch die absolute Einbahnstraße: oft befahren und ausgetreten. JA, wenn Gott diese ganzen schlimmen Verhältnisse hinweggefegt und alle Ungerechtigkeit beseitigt hätte, das wären neue Wege gewesen. Dann könnte man vielleicht glauben.

Der Jünger Jesu, Judas ist einer, der damit ein Riesenproblem hatte. Er hatte sich wohl gewünscht, dass Jesus als der von Gott gesandte Messias die römischen Besatzer aus dem Land fegen würde. Aber dann dieser armselige Einzug in Jerusalem, der Bruch mit dem jüdischen Establishment, als Jesus die Händler aus dem Tempel vertreibt. Und nicht das Geringste gegen die römischen Besatzer und ihre drückende Steuerlast unternimmt.

Der Verrat des Judas war vielleicht als Initialzündung gedacht, die Jesus zur Führung eines Aufstandes herausfordern sollte. Judas wollte Jesus die neuen Wege zeigen, auf denen er gehen soll. Als Jesus sich dann ohne Gegenwehr verhaften lässt und das Todesurteil hinnimmt, da bricht für Judas eine Welt zusammen. All das hört man in der Leidensgeschichte, die bereits am Palmsonntag in den Gottesdiensten verlesen wird.

Musik: Jeanne Demessieux - Hosanna Filio David – Complete Organ Works 

Dieser Weg des Unschuldigen ans Kreuz hat viele verstört und empört – bis heute. Der Ausgang dieser Sache ist doch dem allgemeinen Lauf der Welt, so wie wir ihn beobachten, viel zu ähnlich: Der Mächtigen gewinnen mit allen Mitteln, der Kleine kommt unter die Räder. Aber: Wäre es denn wirklich ein Beweis gewesen, wenn Jesus durch ein Wunder alle bösen und korrupten Mächtigen überwunden hätte?

Jesus selbst lehnt es in seiner Wirkungszeit immer ab, sich durch Wunder zu beweisen. Er tut sie keine Frage, aber nicht deshalb sollen die Leute an ihn glauben. Jesus weiß von der geringen Halbwertszeit solchen Wunderglaubens. Klar, so ein Wunder ist was Tolles, aber wenn dann die Niederungen des Alltags kommen, ist es doch schnell wieder vergessen. Wer nur aufgrund von Wundern glauben kann, der braucht immer wieder und immer mehr Wunder um den Glauben, wenn es denn Glaube ist, am Leben zu erhalten. Bleiben die Wunder aus, ist dieses Strohfeuer ganz schnell erloschen und der Katzenjammer ist groß. Wie viele Menschen sind Jesus aufgrund der Wunder, die sie erlebt haben, nachgefolgt. Und haben dann am Ende beim „Kreuzige ihn“ mitgeschrien.

Gegenseitiges Vertrauen führt auf die richtigen Wege

Vertraut den neuen Wegen …

Man kann Gott und den Glauben niemandem verpflichtend machen. Vertrauen heißt eben nicht auf Beweise und Wunder setzen, sondern daran zu glauben, darauf zu vertrauen, dass Gott in diesem Jesus von Nazareth die Rettung bringt. Die neuen Wege, die Gott in Jesus geht und auf die er uns mitnehmen will, sind nicht so ohne weiteres zu erkennen. Glaube ist hier gefragt, Vertrauen. Und das hat zunächst einmal nichts mit Beweisen zu tun. Das ist vielmehr wie in der Liebe. Dass der eine Partner den anderen oder die andere liebt, das kann er oder sie nicht dadurch beweisen, dass sie ihm jeden Tag das Lieblingsessen kocht. Oder er bei ihr jeden Tag mit einem Blumenstrauß vorbeikommt. Das vertieft wohl nicht das Vertrauen in die Liebe des anderen. Das löst im dümmsten Fall sogar Misstrauen aus.

Jede und jeder muss sich auf einen Weg mit dem Partner einlassen, sonst erfährt er die Liebe nie. Aber wenn sich jemand darauf einlässt, dann können sehr wohl Spuren entdeckt werden, die sagen, dass er oder sie auf dem richtigen Weg ist.

Genauso ist es mit dem Glauben. Vertraut den neuen Wegen heißt: Lass dich ein auf den Weg mit Gott. Du musst nicht den Megaglauben mitbringen, sondern einfach mal losgehen. Und sei es anfangs nur mit vorsichtig tastenden Schritten wie auf einem unbekannten Steg. Dann wirst Du schon erkennen, dass Du auf einem richtigen Weg bist.

Vertraut den neuen Wegen …

Was sind das denn nun für neue Wege, die Gott hier geht? Die neuen Wege, die Gott hier geht, führen ihn direkt an unsere Seite. Andere Götter wollen uns nur von unserer Schokoladenseite haben. Schönheit, Erfolg, Ansehen, Reichtum – all das ist bei denen gut und göttlich. Alles andere wird tunlichst ausgeklammert. Da soll jeder einzelne mal sehen, wie er damit klarkommt.

Gott geht mit uns gemeinsam auch die schwierigsten Wege

Die Wege unseres Gottes dagegen führen ihn in all die menschlichen Niederungen hinein, die wir in unserem Leben erleben. Schuld, Krankheit, Leiden, Enttäuschungen - all das nimmt er auf sich. All das nimmt er ernst. Mit diesem Gott an meiner Seite darf all das zu meinem Leben dazu gehören. Ich muss es nicht ausklammern oder mich gar dafür schämen.

Der Weg des Gottessohnes macht es deutlich: Unser Gott ist sich nicht zu fein, zu heilig, zu groß, um Menschen unter den Bedingungen des Menschseins zu begegnen und zu begleiten. Ob in Freude und Erfolg oder im tiefsten Leid oder Trauer – in den Höhenflügen und an den Tiefpunkten – es gibt keinen Moment unseres Lebens, wo Gott uns nicht begleitet. Gerade in der Passionsgeschichte, als Jesus im Garten Gethsemane zu seinem Vater fleht, merkt jeder und jede: Gott verspricht dem Menschen nicht, ihn vor allem Leid zu bewahren. Aber er ist im Leid an der Seite des Menschen.

Vertraut den neuen Wegen …

Auch wenn sich im Leben auf den ersten Blick vielleicht nichts spektakulär ändert – mit Gott an der Seite erhält es eine grundlegend neue Qualität.

Vor ihm darf ich meine Angst vor dem nächsten Zeugnis genauso zeigen wie die Trauer über meine gescheiterte Ehe. Ich kann ihm die Sorge vor der anstehenden ärztlichen Diagnose genauso hinlegen wie den Liebeskummer, der mich gerade umtreibt. Nichts ist zu unwichtig und nichts ist zu peinlich für ihn.

Ich muss es nicht ausklammern und verstecken. Im Gegenteil. Unser Gott will, dass ich es ihm zeige, will Anteil nehmen daran. Denn all das gehört zu mir und meiner Gottesbeziehung genauso dazu wie Freude und Erfolg und all die schönen Seiten. Die neuen Wege, die Gott mit uns geht – sie umfassen unser ganzes Leben.

Musik: Ola Gjeilo - Ubi Caritas - Voces8

Vertraut den neuen Wegen …

Wenn wir das in der Fastenzeit hören, dann hat das freilich auch eine schmerzliche Komponente. Und das ist vielleicht die ärgerlichste, der wir am liebsten ausweichen, sie verdrängen würden. Denn wir müssen akzeptieren, dass Gott diesen Weg ins Leiden, in Folter, Verurteilung und Tod, diesen Weg ans Kreuz für die Menschen geht. Mehr als 40-mal steht in den neutestamentlichen Briefen dieses „für euch“ bzw. „für uns“ im Zusammenhang mit dem Weg, den Jesus geht.

Jesu geht den Weg alleine aber für uns

Wir müssen akzeptieren, dass dieser Weg des Gottessohnes im wahrsten Sinne notwendig war, damit der Mensch wieder in ein neues Gottesverhältnis gestellt wird. Damit das, was zwischen den Menschen und Gott stand, aus dem Weg geräumt, der Graben überbrückt werden konnte und alle einen neuen Zugang zu Gott erhalten.

Das ist schwer zu akzeptieren. Manche werden sagen: Bin ich nicht so schon ein guter Mensch mit allem, was ich leiste: Ich gehe sonntags in die Kirche, spreche mein Abend- und Tischgebet, zahle meine Kirchensteuer, tue niemand etwas Böses. Und bin insgesamt doch kein so schlechter Mensch, der sogar ein bisschen stolz auf sich sein kann.

Das mag alles sein. Aber „Vertraut den neuen Wegen“ bedeutet hier: Das alles hilft nicht wirklich weiter. Menschen können sich nur diesem Mann am Kreuz anvertrauen und anerkennen, dass er diesen Weg auch für jede und jeden einzelnen gegangen ist.

Für die Juden ein Ärgernis, für die Griechen eine Torheit, schreibt Paulus.

Die Frage wird jedem einzelnen gestellt, vertrauen wir den neuen Wegen, glauben wir dem Gott, der das alles „für uns“ auf sich genommen hat? Akzeptieren wir es, dass wir immer wieder auf Vergebung und Neuanfang angewiesen sind? Vertrauen wir uns diesen neuen göttlichen Wegen an?

Vertraut den neuen Wegen, die Zukunft ist sein Land. Das ist das große Versprechen, das mit diesem Passionsweg unseres Gottes verbunden ist. Der Tod am Kreuz, der Leichnam im Grab, das ist eben nicht die Sackgasse, als die es sich auf den ersten Blick darstellt. Vielmehr steht am Ende das Leben, das Gott schenkt. Und das wird am heutigen Palmsonntag deutlich.

Gott lädt alle Menschen ein. Sie haben die Wahl: sich darauf einzulassen oder nicht. Auf unwiderlegbare Beweise oder gar Absicherungen wird man dabei wohl verzichten müssen. Aber wer den Weg mitgeht, wer diesen Wegen Gottes vertraut, wird es merken und spüren und erleben.

„Wer aufbricht, der kann hoffen, in Zeit und Ewigkeit. Die Tore stehen offen, das Land ist hell und weit“, so heißt es im Lied.

Musik: Symphony No. 9 in E minor Op.95 -  „From the New World“ - III. Scherzo - Molto vivace

Musikauswahl: Regionalkantor Ludwig Zeisberg, Eschwege

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