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Du musst gerade gehen, Junge!
Bild: Pixabay / Lisa Runnels

Du musst gerade gehen, Junge!

Norbert Mecke
Ein Beitrag von Norbert Mecke, Dekan, Evangelischer Kirchenkreis Melsungen
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„Junge, Du musst gerade gehen!“ – es gab eine Zeit, da musste ich mir das als Jugendlicher oft anhören. Das fällt mir heute, am „Tag der Rückengesundheit“, wieder ein. „Junge: Die Schultern nicht so hängen lassen!“ – „Junge, Kopf hoch und Brust raus!“ 

Familie ermahnt: Gerade gehen! 

Ich fand meinen Gang eher cool. Und wenn ich irgendwo rumstand, fand ich Lässigkeit auch besser als Strammstehen. Vielleicht dachte meine Familie, ich wachse so in Richtung „Quasimodo“, wie man ihn aus alten Filmen kannte: bucklig und irgendwie krumm und mit Schlagseite.

Heute denke ich: Auch damit kann man leben. Wie viele erleben das im Alter? 

„Junge, Du musst gerade gehen!“ – damals ging mir der ständige Apell ehrlich gesagt auf den Geist. Aber vielleicht gehörte er genau dahin. 

Gerade gehen - als innere Haltung wichtig

Gerade gehen, aufrecht sein, Haltung haben: Das ist innerlich letztlich viel wichtiger als äußerlich. 

Ich schätze den immer krummer werdenden Senior für seine wunderbare Haltung, wenn er mir auf dem Marktplatz erzählt, wie er für Flüchtlinge und Offenheit eintritt. Ich staune über eine Nachbarin, der der Gang selbst am Rollator schwerfällt, aber die eisern ihre Runden dreht und immer ein freundliches Wort für mich hat. Und der Ehrenamtliche, der „Rücken hat“, nix mehr schweres Tagen kann, aber zu dem Leute gerne gehen, wenn sie Schweres auf dem Herzen haben. Er hört zu und richtet damit andere auf. Dieser Mann ist mir ein echtes Vorbild.

Für Werte geradestehen

„Junge, Du musst gerade gehen!“ – ich höre das gar nicht mehr als Apell, sondern es beschreibt meinen eigenen Wunsch: ein gesundes Rückgrat haben. Klar und ehrlich sein. Für gute Werte will ich stehen, ob das andere gerade lässig finden oder eher lästig. Ich möchte einstehen für Glaube, Liebe und Zuversicht. Und auch freundlich sein. Andere wertschätzen. Einen wohlwollenden Blick wünsche ich mir dafür, wie es jemand meinen könnte, und nicht wie ich ihn einsortiere. Weitherzig bleiben und nicht mit coolem, mit abgekühltem Herz in den Tag gehen. 

Sich nicht verbiegen lassen

Lieber den Kopf hängen lassen müssen, wenn ich an all dem scheitere, als es unversucht lassen!

„Junge, Du musst gerade gehen!“ – tue ich garantiert nicht immer und bin dann für manche sicher auch heute noch in Sachen Haltungsnote eine Enttäuschung.
Die Kunst ist wohl, sich dennoch nicht verbiegen zu lassen, nicht mal von sich selbst. 

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