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Lachen aus Herzensgrund
Bild: PublicDomainPictures/Pixabay

Lachen aus Herzensgrund

Sebastian Pilz
Ein Beitrag von Sebastian Pilz, Katholischer Referatsleiter Diakonische Pastoral/Seelsorge in besonderen gesellschaftlichen Herausforderungen
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Neulich halte ich ein Kinderfoto meines Sohnes Matthäus in Händen. Auf dem Bild ist er etwa zwei Jahre alt. Er liegt bei meinen Eltern im Wohnzimmer auf einer Decke und schaut genau in die Kamera. Das Besondere an diesem Bild ist: Matthäus lacht über beide Ohren. Wie gerne würde ich jetzt sein Lachen einspielen. Doch ich habe es leider nicht aufgenommen. Dafür erinnere ich mich noch genau an diese Szene. Er ist gerade frisch gewickelt, liegt quietscht vergnügt auf dem Rücken und fängt auf einmal aus tiefsten Herzen an zu lachen. Für mich gibt es keinen ersichtlichen Grund, doch er holt immer wieder neu Luft und bietet ein so intensives Kinderlachen auf, dass auch ich nicht anders kann und mitlachen muss. Das Lachen verbreitet sich in der ganzen Wohnung. Meine Frau kommt dazu, schließlich auch meine Eltern. Auch sie können nicht anders und lachen mit. Minutenlang stehen wir um Matthäus und lachen. Das wiederum feuert sein Lachen weiter an. In diesem Augenblick treten alle Herausforderungen mit meinen älter werdenden Eltern und unserem Besuch mit zwei kleinen Kindern in der engen Dachwohnung in den Hintergrund. Wir lachen einfach miteinander und das tut unbeschreiblich gut. Etwas später hole ich den Fotoapparat und halte den Moment fest. Dieses Bild macht Matthäus mit seinem breiten Lachen zur Berühmtheit in unserer Familienchronik. Wie rein und schön doch so ein herzliches Kinderlachen ist. Einfach mitreißend. Lachen ist eben gesund.

Ist Gott witzig? Lacht er mit uns vielleicht auch mal über uns?

Ob Gott auch mal lacht und dann dadurch neue Kraft schöpft? Das frage ich mich gerade in diesen Fastnachtstagen, wenn das Lachen so vieler Menschen die Freude in der Welt verbreitet. Wenn ich an das Kinderlachen meines Sohnes denke, bin ich fest davon überzeugt, dass Gott mit uns lacht. Ein reines Kinderlachen kommt doch aus tiefstem Herzensgrund und das Herz ist für jene, die glauben, auch der Ort, wo Gott spürbar ist.

Dass Gott ein Gott der Freude ist und zu Herzen geht, drückt sich heute auch im Tagesgebet im katholischen Sonntagsgottesdienst aus. „Da heißt es im Messbuch: Gott, du liebst deine Geschöpfe, und es ist deine Freude, bei den Menschen zu wohnen. Gib uns ein neues und reines Herz, das bereit ist, dich aufzunehmen“, so das Gebet wörtlich. Ich frage mich nun, was es bedeutet, ein „neues und reines Herz“ zu bekommen? Es ist hier ja weniger von einer Organtransplantation die Rede. Es geht um einen übertragenen Sinn und den will ich verstehen.

Musik

Das Lachen ist im Herzen verankert

Etwas wird laut Duden als neu bezeichnet, was erst vor kurzem hergestellt oder noch nicht gebraucht wurde1. Bezogen auf das Herz ist unklar, weshalb es das alte nicht mehr tut. Im medizinischen Kontext wird eine Herztransplantation dann notwendig, wenn eine Herzschwäche nicht mehr medikamentös oder durch medizinische Eingriffe behoben werden kann. Das Gebet um ein neues Herz im übertragenen Sinn setzt also voraus, dass das alte Herz ohne Funktion ist. Das ist etwas kaputt, aber was?

Die Bibel, das Buch des christlichen Glaubens, versteht unter dem Herzen den Sitz der Emotionen und auch der Vernunft. Es geht also beim Herz um die Mitte des Menschen. Da soll auch immer Gott seinen Platz haben. Ist das nicht so, spricht die Bibel von Unreinheit. Das Herz ist also kaputt. Die Chemie zwischen Gott und dem Menschen ist gestört, will heißen: Der Mensch hat ein Herz aus Stein und ist deshalb im biblischen Sinn dem Tod nahe, weil er beziehungsunfähig ist.

In diesem Fall braucht es also ein neues Herz, das bedeutet eine Besinnung oder Reinigung. Das Buch Ezechiel im Alten Testament redet davon, dass Gott mit Wasser den Menschen reinigt. Gott spricht daran im Anschluss wörtlich: „Ich gebe euch ein neues Herz und gebe euch einen neuen Geist in euer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch.“2 Die biblische Sprache ist hier ungewohnt bildhaft und auch etwas abstoßend. Doch der Text möchte sagen: Gott will das Leben der Menschen. Und das nicht nur auf Ebene der Vitalwerte. Es geht darum, die Beziehung mit ihm wieder lebendig zu machen. Und ist im Herzen erst einmal wieder Gott Leben drin, so funktioniert dann auch die Beziehung zu den anderen Menschen. Soweit die Logik der Bibel, was ein neues Herz angeht.

Mich tröstet, dass diese Reinheit im Herzen ich nicht allein herstellen muss. Ich soll natürlich das tun, was mir möglich ist. Doch Gott kommt mir auf diesem Weg entgegen. Das drückt sich besonders in der Taufe aus, die alle Christen miteinander verbindet. Jesus sagt darin ein für alle Mal „Ja“ zu mir, will heißen: Sein Herz für mich wird nie mehr aus Stein. Es schlägt aus Liebe immer für mich. Im Vertrauen darauf kann ich mein Leben wagen, auf dass auch ich immer lebendig mit ihm und mit allen Menschen verbunden bin. Das beruhigt mich und macht mich froh. Im Vertrauen darauf kann ich mit den Brüdern und Schwestern des jüdischen Glaubens in ihr wichtigstes Gebet einstimmen. Darin heißt es: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele, und mit ganzer Kraft.“3

Musik

Ein Lächeln ist wie eine Frischekur fürs Herz

Wie hängen nun das Lachen und ein neues Herz zusammen? In Erinnerung an das Lachen meines Sohnes ist mir klar: Ein ehrliches und in diesem Sinne reines Lachen ist wie eine Autobahn direkt in die Mitte des Menschen. Und zwar in einem zweifach doppelten Sinn. Lachen bewegt im Inneren und im Äußeren etwas und dann sowohl bei jener Person, die lacht, als auch bei jener, die angelacht wird. In solchen Momenten bricht in beide eine andere Wirklichkeit ein, die verändert. Lachen macht beide wieder innerlich und äußerlich vital. Es ist wie eine Frischekur für Herz, Körper, Geist und Seele. Ein solches Lachen stiftet eine tiefere Beziehung zu Gott, zueinander und zu mir selbst.

Im Herbst vergangenen Jahres erlebe ich das hautnah. Gemeinsam mit einer Kollegin und einem Kollegen vom Diözesancaritasverband des Bistums Fulda treffen wir uns in Polen. Aus der Westukraine kommen Verantwortliche der Caritas aus Iwano-Frankiwsk, um einen Kleinbus in Empfang zu nehmen. Die deutschen Kollegen und die Ukrainer kennen sich schon von vor dem Krieg. Mir dagegen sind die Personen nur aus Videokonferenzen bekannt. Wir verbringen knapp zwei Tage miteinander, sprechen über die Situation in der Ukraine. Wir besuchen eine Kirche und beten um Frieden. Doch tief ins Herz geht mir der letzte Abend.

Nach dem Essen sitzen wir auf einem spärlich ausgeleuchteten Hotelflur, keiner will schlafen gehen. Wir trinken etwas zusammen und erzählen uns dabei Witze. Der aus der Ukraine mitgereiste Übersetzer macht es möglich. Auch ich will etwas beisteuern und erinnere mich an meine Kindheit in der DDR. Mir fallen Witze über den Trabi ein, also über jenes Kleinauto der DDR, das mit Duroplast als Karosseriebaustoff weltberühmt wurde. Auch ich saß die ersten Lebensjahre auf der Rückbank eines solchen Plastebombers, wie der Volksmund das Auto manchmal genannte. Die Witze funktionieren im Frage-Antwort-Schema und sind deshalb gut zu übersetzen. Ich lege los mit zum Beispiel dieser Frage: „Wie viele Arbeiter braucht man zum Bau eines Trabis?“ Antwort: „Zwei: Einer, der faltet und einer, der klebt.“ Oder noch eine Frage: „Woran erkennt man einen Trabi Sport?“ Antwort: „An den Turnschuhen auf der Heckablage.“ Die Witze funktionieren, alle lachen und so geht es stundenlang weiter. Wir lachen gemeinsam, egal ob über ukrainische oder deutsche Witze.

Durch diesen Abend entsteht eine tiefere innere Verbundenheit. Das Gespräch beim letzten Frühstück beweist das. Wir begegnen einander ehrlicher und zugleich herzlicher als bei den Treffen davor. Wir aus Deutschland können die Grenzen unserer Hilfe klar benennen. Zugleich überlegen die Ukrainer, wo wir mit unseren Hilfsmöglichkeiten konkret etwas Nützliches tun können. Zwei Monate nach dem Treffen in Polen wird eine neue Imkereiausstattung in der Ukraine versandt. Die Ukrainer wollen dort eigenen Honig machen und mit dem Material aus deutschen Caritas Werkstätten konnten wir das unterstützen. Ein gelungenes Projekt.

Das Beispiel vom heiteren Abend auf dem Hotelflur zeigt: Lachen, erreicht das Herz und stiftet Beziehung auch über Kultur- und Sprachgrenzen hinweg. Im miteinander Lachen liegt eben die Kraft, sich ganz neu und rein von Herz zu Herz zu begegnen und das wünsche auch Ihnen für diesen Fastnachtssonntag.

 

1 https://www.duden.de/rechtschreibung/neu

2 Buch Ezechiel, Kapitel 36 Vers 26

3 Buch Deuteronomium, Kapitel 6, Vers 5

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