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Kaffee mit Aussicht – sehen und gesehen werden
Bild: unsplash / Jack Dylag

Kaffee mit Aussicht – sehen und gesehen werden

Maike Westhelle
Ein Beitrag von Maike Westhelle, Evangelische Pfarrerin, Studienleiterin, Hofgeismar
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Das große Kaufhaus in Kassel hat neuerdings ein Café direkt an der Einkaufsstraße. Ein Tresen am Fenster bietet beste Aussichten. Man sitzt quasi mitten im Geschehen, kann die Menschen beobachten und dabei ein Getränk genießen. Ich mag das sehr! Die Familien, deren Kinder kribbelig vor Aufregung sind. Manche Erwachsene, die schon einen Glühwein zu viel hatten. Die Menschen, die Leuchtgeweihe verkaufen und auch von der Konsumstimmung profitieren wollen.

Vorsicht: Nicht so schnell urteilen 

Ich erfreue mich an der Vielfalt, die vor dem Fenster zu sehen ist. Dabei muss ich gut aufpassen, nicht ins Lästern zu verfallen. „Guck mal, geht ja gar nicht…“ Das scheint spaßig, ist aber herablassend und unfair. Es steht mir überhaupt nicht zu, den Mode-Geschmack anderer zu beurteilen oder aus einem zufälligen Moment. Schlüsse über das Leben fremder Personen zu ziehen.

Auch andere beobachten mich

Das Fenster ist ein guter Ort, um das zu verstehen: So gut, wie ich die anderen beobachten kann, sehen sie ja auch mich. Hell erleuchtet, nur durch eine Glasscheibe von den Menschen auf der Straße getrennt. Was denkt wohl der Mann, der vor der Parfümerie wartet, wenn er mich hier sieht? Hält er mich für einsam und unglücklich? Findet er meinen Mantel scheußlich?

Wie Gott uns sieht

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ – das ist das biblische Motto für 2023. Ich stelle mir vor, dass Gott gern dem bunten Treiben in der Stadt zusieht. Allerdings ohne die spitzen Bemerkungen, die mir dabei auf der Zunge liegen. Im Gegenteil: Gott freut sich an diesen vielen verschiedenen Menschen. Er blickt liebevoll auf jede von uns.

Üben, wohlwollend zu schauen 

Hier im Fenster nehme ich mir vor, das zu üben: Wohlwollend zu schauen. Auf die strahlenden Kinder und den Reichtum der Kleidungsstile. Bewusst das zu entdecken, was ich am anderen schön oder sympathisch finde. So entsteht wirklich Adventsstimmung!
 

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