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Das Leben ist kostbar!
Bild: Trauer_Messer

Das Leben ist kostbar!

Andrea Maschke
Ein Beitrag von Andrea Maschke, Katholische Pastoralreferentin in Bad Homburg / Friedrichsdorf
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Wenn ich jetzt im November abends am Friedhof vorbeilaufe, leuchten da viele rote Lichter. Schön schaut das aus, melancholisch und tröstlich zugleich: die Toten sind nicht vergessen.

Traurigkeit gemischt mit Dankbarkeit

Der November ist ja der klassische Monat des Gedenkens an unsere Verstorbenen, auch in den Kirchen. Und so habe ich als Seelsorgerin in der Gemeinde, auf den Friedhöfen und in den Altenheimen in den letzten Wochen ziemlich viele Gedenkgottesdienste und -andachten gehalten … am Anfang des Monats, wenn die katholische Kirche Allerheiligen und Allerseelen feiert, und jetzt, rund um den evangelischen Ewigkeitssonntag. Und ich habe viel beerdigt in den letzten Monaten.

Oft mischt sich in die Traurigkeit des Abschieds auch eine gehörige Portion Dankbarkeit für das geteilte Leben, gerade wenn sehr alte Menschen sterben. Das finde ich immer tröstlich.

Freunde und Bekannte musste ich auch dieses Jahr beerdigen

Besonders zu denken – und daran zu knabbern - gibt es mir, wenn Menschen in meinem Alter sterben oder gar jünger. Auch in diesem Jahr musste ich Bekannte und Freundinnen beerdigen, die ungefähr gleich alt waren wie ich, Mitte 50. Sie wussten um ihren nahen Tod und haben mich gefragt, ob ich sie, „wenn es soweit ist“, beerdigen würde. Das war traurig. Und es stellt Fragen an mein eigenes Leben. Was ist mir wichtig, was will ich verwirklichen in meinem Leben?

Was ich von diesen Beerdigungen mitnehme, ist auch der Vorsatz: „Schieb, was dir wirklich wichtig ist, nicht lange auf. Lebe jetzt.“

Bevor ich sterbe, möchte ich…

Es gibt dieses Kunst- oder vielleicht eher Lebensprojekt „Before I die“. Seit 2011 zieht es durch die Welt. Eine US-amerikanischen Künstlerin, Candy Chang, hat es initiiert. „Before I die, I want …, oder auf Deutsch: „Bevor ich sterbe, möchte ich …“. Diese Worte stehen auf großen Tafeln im öffentlichen Raum, und die Menschen, die daran vorbeikommen, können den Satz mit ihren eigenen Wünschen fortschreiben. Normalerweise füllen sich die Tafeln schnell. Ich hatte diese Aktion das erste Mal vor einigen Jahren in Italien entdeckt. Da stand auf großen Tafeln an den Marktständen in Trastevere in Rom: Prima di morire, vorrei … - Bevor ich sterbe, möchte ich … Das hat mich damals sehr fasziniert. Alle Tafeln waren bereits vollgeschrieben und ich habe dann mit großem Interesse die Wünsche der anderen gelesen. Inzwischen wurde diese Aktion auch in Frankfurt und in anderen Städten in Deutschland durchgeführt.  

Es relativiert die tausend „so wichtigen“ Dinge und Termine

Ich glaube, es ist gut, sich solche Fragen zu stellen, auch wenn kaum jemand gerne ans eigene Sterben denkt. Es ist ein Anstoß – und vielleicht wirkt es auch befreiend, denn es relativiert die tausend Dinge und Termine, die möglicherweise gar nicht so wichtig sind, wie wir immer meinen.

Mutmachen beim Leichenschmaus oder Trösterkaffee

Um nochmal auf die Beerdigungen zurück zu kommen: Einer der Professoren im Theologiestudium meinte mal, das Zusammensein nach der Beerdigung, das mancherorts Trösterkaffee heißt, andernorts deutlich derber Leichenschmaus, dieses Zusammensein sei manchmal so fröhlich, weil, ganz archaisch, die Menschen feiern, selbst noch am Leben zu sein. Ich denke: Es geht oft darum, sich als sozusagen „Überlebende“ gegenseitig Mut zu machen, und darin zu bestärken, das eigene Leben und das, was wichtig ist, in den Blick zu nehmen. Das Leben ist so kostbar.

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