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Ein Zimmer für mich allein
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Ein Zimmer für mich allein

Dr. Annette Wiesheu
Ein Beitrag von Dr. Annette Wiesheu, Theologische Referentin des Bischofs von Mainz
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Wenn irgendetwas in den letzten Jahren mein Leben wirklich verändert hat, dann war das unser Umzug vor gut einem Jahr, genauer gesagt: das kleine Zimmer, das es für mich in dem neuen Haus gibt. In unserem alten Haus gab es zwar einen großen Raum unter dem Dach, dort waren ein paar Sachen von mir untergebracht, und dort stand mein Schreibtisch und auch der meines Mannes. Aber die Treppe nach unten ging direkt von diesem Dachboden ab, es gab keine Tür, keine Wand oder Abgrenzung nach unten hin. Wirklich ruhig war es dort oben nie: Wenn die Kinder unten gespielt haben, wenn mein Mann die Spülmaschine ausgeräumt hat, wenn das Telefon geklingelt hat – ich habe dort oben alles gehört. 

Ein paar Minuten durchatmen

Bei der kleinen Kammer in unserem neuen Haus ist das ganz anders. Sie hat eine Tür und die kann ich auch mal zumachen! Fast nichts ist dann vom Rest des Hauses zu hören. Und es ist mein Zimmer, nicht besonders groß, aber groß genug für meinen Schreibtisch, ein paar Bücherregale und meinen alten Lesesessel. Es ist einfach herrlich, dass ich mich jetzt auch einmal in dieses Zimmer zurückziehen und Tür hinter mir zumachen kann. Das mache ich, um ein paar Minuten durchzuatmen, wenn ich von der Arbeit heimkomme und bevor dann die Familienzeit beginnt. Das mache ich auch, wenn es einmal einen Streit gibt und ich merke: Die Gefühle kochen hoch, ich verliere die Ruhe. Einige Minuten in meinem Zimmerchen, auf meinem Sessel, und dann sieht die Welt schon wieder anders aus. Und ich mache die Tür auch einmal am Wochenende zu, um eine halbe Stunde in Ruhe die Zeitung durchzublättern oder ein wenig Musik zu hören, eine Tasse Kaffee neben mir. Danach fühle ich mich oft wie neu geboren.

„Jetzt bitte nicht“

Es fällt mir nicht immer leicht, die Tür zuzumachen, mir diesen Rückzug zu gönnen, ich habe es lernen müssen, auch einmal freundlich zu sagen: „Jetzt bitte nicht.“ Aber ich merke auch, wie gut das tut und wie wichtig es ist, einen Ort für mich und Zeit für mich zu haben. Es muss auch gar nicht viel sein, das Zimmer ist klein und ein paar Minuten Ruhe genügen mir meistens. Dann mache ich die Tür auch wieder auf und kann ehrlich sagen: „Jetzt bin ich wieder für euch da“.

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