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Der Nikolaus, das Korn und die Ukraine
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Der Nikolaus, das Korn und die Ukraine

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen
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Als Protestant habe ich ein eher distanziertes Verhältnis zur Verehrung von Heiligen. Aber ich gebe zu: Die Legenden über Heilige sind ein großer Erzählschatz. Das trifft besonders auf Nikolaus zu. Sein Gedenktag ist heute, am 6. Dezember.

Wer war Nikolaus?

Der ursprünglich griechische Name Nikolaos bedeutet übersetzt: „Sieg des Volkes“. Nikolaus ist volksnah und widerständisch. In den Legenden stellt er sich auf die Seite der Armen und Bedrohten und hilft ihnen. Eine dieser Legenden klingt beklemmend aktuell. Deshalb will ich sie erzählen. Auch, weil Nikolaus in der russisch-orthodoxen Kirche eine besonders große Rolle spielt. Dort nimmt er in der Verehrung den dritten Rang ein – direkt hinter Christus und Maria.

Das Kornwunder

Die Geschichte trägt den Titel „Das Kornwunder“ und findet im Hafen der Stadt Myra statt. Die heißt heute Demre und liegt im Süden der Türkei, 100 Kilometer südwestlich von Antalya. Um 300 nach Christus ist Nikolaus dort Bischof. Er sorgt sich um die Menschen in Myra, denn sie hungern. Im Hafen liegt ein Schiff voller Getreide. Aber es ist nur auf der Durchreise. Seine Ladung ist für den Kaiser in der fernen Hauptstadt bestimmt. Da schaltet sich Nikolaus ein. Er überzeugt die Seeleute, von dem Getreide etwas abzuzweigen. Dabei verspricht er ihnen: Es wird nichts fehlen, wenn sie später am Ziel ankommen. Die Seeleute sind berührt von der Not der Menschen und vielleicht auch ein wenig von der Glaubensstärke des Nikolaus. Sie geben etwas Getreide ab und fahren weiter. Als sie am Zielort ankommen, hat ihre Ladung dennoch das vereinbarte Gewicht, wie es Nikolaus vorhergesagt hatte. Gleichzeitig überstehen die Menschen in Myra mit dem abgezweigten Getreide die Hungersnot.

Eine Geschichte mit tiefer Botschaft

Die Geschichte beschreibt, welche Haltung aus dem christlichen Glauben erwächst, aber auch dem humanistischen Menschenbild entspricht: Fürsorge und Achtung, Füreinander sorgen und miteinander teilen.

Auch heute fehlt es an Getreide

In der Ukraine geschieht derzeit mit dem Korn eher das Gegenteil. Dort gibt es mehr als genug Getreide. Aber das russische Militär bombardiert die Silos und Transportwege. Deshalb kommt das Getreide bei denen, die es dringend brauchen, nur verzögert und verteuert. Das trifft viele Menschen – besonders die in den ärmeren Regionen der Welt. Dabei haben sie mit dem Krieg in der Ukraine eigentlich gar nichts zu tun.

Aus der Legende lernen

Nikolaus zeigt mit seinem Kornwunder, dass es eigentlich anders zugehen soll. Ich bin sicher: So denken auch viele Menschen in Russland. Hoffentlich wird dort die Geschichte vom Kornwunder vielfach erzählt - gerade heute, am Nikolaus-Tag. Es wäre wunderbar, wenn daraus in Moskau ein Umdenkwunder hervorginge. Dafür bete ich.

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