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Gebete steigen auf wie Wolken
Pixabay/Ashish Bogawat

Gebete steigen auf wie Wolken

Ein Beitrag von Dr. Christine Lungershausen, Evangelische Pfarrerin, Eschborn
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„Ich sehe einen Elefanten mit riesigen Ohren, das da ist sein Rüssel, da unten seine Füße. Und da hinten ist ein Eisbecher mit Sahne.“ So saßen mein Mann und ich im Sommer auf der Terrasse und haben Wolken beobachtet. Ich möchte von einer besonderen Form von Wolken erzählen.

Eine Wolke: eine Ansammlung aus Wassertropfen oder Eiskristallen

Grundsätzlich ist eine Wolke eine Ansammlung aus Wassertropfen oder Eiskristallen in der Erdatmosphäre. Nimbostratus, Cumulus, Cumulo-Nimbus, Zirrus und wie sie alle heißen. Eine Wolkensorte fehlt dabei noch: Die Gebetswolke: Die Gebete der Menschen steigen auf wie Wolken. Gebetswolken.

Die Gebetswolke

Da steigen sie auf: Ein Vaterunser. Ein Hilfeschrei. Tränen. Ein Stoß-Gebet. Ein Tischgebet. Eine andächtige Stille. Die Gebete der Menschen lassen nicht nach, bis Gott, die Höchste sie wahrnimmt.

Wie viel Seufzen steigt derzeit zum Himmel auf! Ein Seufzen, das bis in die Wolken reicht. So viele ermordete Menschen, so viel Eingesperrte, die nicht fliehen können. So viel Hass und Gewalt! Ach, Gott, Höchste, gib Frieden und Leben!

Auch ein Lachen kann ein Gebet sein

Gestern Mittag war mein Gebet ein Lachen, das bis in die Wolken klang. Zum Lachen brachte mich eine Kollegin, die mit Handpuppe ins Büro kam: „Du, ich heiße Elsa. Und wie heißt Du? Ich bin eine rosa Drachendame und habe eine wunderbare Mähne, wunderhübsch zum Schütteln!“ Und wir schütteten uns aus vor Lachen. Ach, Gott, Höchste, mein Lachen steigt als Gebet auf zu Dir.

Die eigene Wut gen Himmel schicken

Am Nachmittag waren die Tränen mein Gebet. Salzig wie das Meer, weil das Leben manchmal so wütend macht. Soweit sollten wir inzwischen sein, unsere Welt zu schützen, indem wir genau abwägen, ob es nötig ist – der Flug, das Plastik und vieles mehr, was die Umwelt belastet. Doch viele tun das nicht. Ich schicke meine Wut gen Himmel, Wut über verpasste Chancen für die Welt, die wir unseren Kindern hinterlassen. Dort oben am Himmel türmen sich Cumulo-Nimbus-Wolken. Massig, dicht, dunkelgrau. Ich stelle mir vor, es wäre eine Gebetswolke. Ach, Gott, Höchste, bringe Regen und Klarheit!

Schweigend beten

Häufig am Abend ist mein Gebet ein Schweigen. Mit dem Schweigen kehrt in mir Ruhe ein. Es umschließt die Menschen, für die ich bete. Die kranke Dame in unserer Nachbarschaft. Die 50-Jährige Tochter, die ihren Vater verloren hat. Die Menschen in Israel, in Gaza, die Menschen in Furcht. Die Bitten für sie schwingen sich auf gen Himmel. Ach Gott, Du Höchste, erbarme Dich!

Gebete steigen auf wie Wolken, bis die Höchste sie wahrnimmt.

Gebete lassen nicht locker

Wenn wir schon längst nicht mehr seufzen, lachen, klagen, schweigen, dann seufzt-lacht, klagt-schweigt es immer noch vor Gott. Und die Gebete lassen nicht locker, bis die Höchste sich von ihnen bewegen lässt. Das ist mir Trost. So kann ich weiter leben nach dem Beten. Auch wenn die Höchste erst mal schweigt.

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