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Das Gewicht der Seele
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Das Gewicht der Seele

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Anfang des 20. Jahrhunderts machte ein amerikanischer Arzt ein grenzwertiges Experiment: Er wog Sterbende. Er war davon überzeugt: Jeder Mensch hat eine Seele, die auch materiell vorhanden ist. Dieser Arzt glaubte: Im Moment des Todes verlässt die Seele den Körper. Mit seinem Experiment wollte er das beweisen und stellte anschließend die Behauptung auf: Die Seele wiegt 21 Gramm.

Im Mittelalter gab es die "Seelenwaage"

Heute, am katholischen Gedenktag Allerseelen, erinnert mich als Christin dieses seltsame Experiment an etwas anderes: In der christlichen Tradition wird der Erzengel Michael oft mit einer Balkenwaage dargestellt. Laut christlicher Überlieferung ist er dafür zuständig, nach dem Tod die guten und bösen Taten eines Menschen abzuwägen und Gott zur Beurteilung vorzulegen - Gott entscheide dann über Himmel oder Fegefeuer. Im Mittelalter war diese Vorstellung geläufig, und so finden sich viele Darstellungen der Seelenwaage in der Kunst. 

Sie wurde ihm von Gott geschenkt

In der modernen Welt wirken beide Vorstellungen skurril. Kaum jemand denkt: Die Seele hat ein bestimmtes Gewicht, das sich womöglich noch verändert, wenn man etwas Gutes oder Schlechtes tut. Aber viele Menschen sind davon überzeugt: Der Mensch hat eine Seele.

Als Christin glaube ich: Die Seele wurde dem Menschen von Gott geschenkt. Sie ist der Kern eines Menschen und bleibt über den Tod hinaus erhalten. Wie genau es nach dem Tod weitergeht, weiß ich natürlich nicht. Ich bin aber davon überzeugt: Meine Seele wird von Gott geborgen. Sie zerfällt nicht mit dem Körper. Ich denke, auch meine guten Absichten und auch meine Schuld sind nicht von jetzt auf gleich einfach „weg“. 

Die Auswirkungen ihres Lebens bleiben

Das spüre ich auch, wenn ich heute an mir bekannte Verstorbene denke: Was sie mir oder anderen in ihrem Leben Gutes - oder auch Böses - getan haben, ist mit ihrem Tod nicht verschwunden. Die Auswirkungen ihres Lebens bleiben.

An Allerseelen denken Katholikinnen und Katholiken aber auch an alle anderen Verstorbenen: An die schon lange in Vergessenheit geratenen Wohltäterinnen, Helfer und Weisen in der Geschichte. Allerseelen ist aber auch ein Tag, an all die namenlosen Gestorbenen zu denken. Mancherorts werden die Gräber auf Friedhöfen gesegnet oder Gottesdienste in Erinnerung an die Verstorbenen gefeiert. Auch für mich ist ein Besuch auf dem Friedhof eine wichtige Tradition. 

Meine Seele ist unendlich wertvoll

Besonders berührt mich immer, wenn ich im Infoheft meiner Gemeinde lese, dass jemand einen Gottesdienst feiern lässt, im Gedenken an „alle verlorenen Seelen, an die niemand mehr denkt“. Dass wir für diese besonders beten müssen, glaube ich nicht. Ich bin überzeugt davon: Gott vergisst keinen Menschen. Keine unverwechselbare und einzige Seele, die Gott verschenkt hat, geht je verloren.

Mir tut es deshalb gut, mich heute genau daran zu erinnern: Ich stehe in einer langen Reihe guter Seelen, die vor mir waren. Und egal, ob meine Seele nun ein Gewicht hat: Ich bin überzeugt davon: Meine Seele ist unendlich wertvoll. Sie hat Gewicht bei Gott und ist bei ihm geborgen.

 

 

 

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