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Ein Friedensfestmahl in Jerusalem
Bild: kristynwin_pixabay

Ein Friedensfestmahl in Jerusalem

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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In der Bibel heißt es beim Propheten Jesaja: „Dann wird Gott der Heerscharen auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den feinsten, fetten Speisen, mit erlesenen, reinen Weinen. Er verschlingt auf diesem Berg die Hülle, die alle Völker verhüllt, und die Decke, die alle Nationen bedeckt. Er hat den Tod für immer verschlungen und Gott, der Herr, wird die Tränen von jedem Gesicht abwischen und die Schande seines Volkes entfernt er von der ganzen Erde, denn Gott hat gesprochen.“ (Jes 25,6–8)

Wie weit ist diese Verheißung von den Schreckensbildern entfernt

Gott spricht durch den Propheten vom einem Friedensfestmahl, bei dem er auf dem Stadtberg in Jerusalem alle Völker bewirtet. Daran habe ich gedacht, als ich am Samstag vor zwei Wochen die Bilder aus Israel gesehen habe: Hamas-Terroristen, die mit erhobenen Maschinengewehren durch ein Volksfest ziehen, und auf der anderen Seite israelische Panzer, die von den Leuten am Straßenrand angefeuert nach Gaza rollen. Wie weit ist die Verheißung bei Jesaja von diesen Schreckensbildern entfernt!

Wie viele Tränen fließen jetzt

„Gott wird die Tränen von jedem Gesicht abwischen.“ Wie zärtlich ist Gott hier, wenn er die Tränen aus dem Gesicht wischt. Wie viele Tränen fließen jetzt in den Kriegen dieser Welt? Tränen Liebender und Geliebter. Tränen von Müttern, Frauen und Kindern, von Männern hinter Geschützen, in Panzern. Wie viele Menschen liegen in diesen Tagen nachts wach und bangen um ihre engsten Verwandten und Freunde: Leben sie noch? Sind sie bei einem Luftangriff zu Tode gekommen oder in grausame Geiselhaft genommen?

Das gemeinsame Mahl macht aus Feinden Freunde

Der Prophet Jesaja lässt sich nicht beirren. Er wiederholt Gottes Verheißung von einem riesigen internationalen Friedens-Essen. Gott speist die Eingeladenen nicht mit irgendeinem schlechten Futter ab, sondern bereitet ihnen ein überbordendes Festmahl. Im Hebräischen ist es lautmalerisch beschrieben. Speisen und Weine reimen sich und auch ihre jeweiligen Eigenschaften, die im ganz wörtlichen Sinne kost-bar sind. Im Hebräischen klingt das so: mischtäh schmanim, mischteh schmarim, schmanim memuchaim, schmarim mezuqaqym. Es ist, als hört man direkt, wie Feinde, die Freunde geworden sind, miteinander schmatzen und schlürfen. Das gemeinsame Mahlhalten verwandelt die Menschen. Tränen trocknen und der im Krieg allgegenwärtige Tod wird endgültig besiegt.

Die Hoffnung auf solch‘ ein Fest nicht nehmen lassen

Gott wendet sich allen Menschen zu, nicht nur einem Volk. Was wäre das für ein Festmahl: Israelis mit Palästinensern, Russen mit Ukrainern, Türken mit Kurden und Armeniern: Alle schmatzen sie beim gemeinsamen Mahl und freuen sich über Gottes Nähe. Die Vision bei Jesaja scheint utopisch: Andere mögen es für naiv halten, aber ich will mir diese Hoffnung auf ein solches Fest nicht nehmen lassen. Ich will leise, aber klar und deutlich von ihr sprechen - in die Nacht meiner Angst hinein.

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