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Ist Gott schwerhörig?
Bild: Petra_pixabay

Ist Gott schwerhörig?

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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„Höre, Gott, mein lautes Rufen, neige dich zu mir! Antworte mir!“ So heißt es im Psalm 27 (Vers 7) in der Bibel. Ist Gott eigentlich schwerhörig? Muss ich schreien, dass Gott mich hört? Das frage ich mich manchmal bei diesen Worten: Wie kann Gott das viele Bitten um Frieden, um die Bewahrung seiner Schöpfung, um Vernunft in der Politik überhören?

Seit ich besser höre, gehöre ich auch wieder mehr dazu

Schwer zu hören, das kenne ich selber. Seit einiger Zeit trage ich ein Hörgerät. Es hat mich Überwindung gekostet. Denn ich habe befürchtet, damit würde ich dann erst länger hantieren und herumquietschen müssen. Es war aber viel leichter, als ich dachte, und ich habe bemerkt: Wenn ich richtig höre, gehöre ich auch wieder mehr dazu. Nicht nur Menschen höre ich besser, sondern auch die Stimmen der Vögel, das Zirpen der Grillen und – ganz wichtig! – den Takt der anderen beim gemeinsamen Musizieren.

Wenn du nicht nachfragst, hast du dich schon damit abgefunden

Vorher gab es auch komische Situationen. Statt Klingel hörte ich Schlingel, oder statt Quatsch Matsch. Häufiger war es allerdings nicht lustig, sondern lästig. Manchmal hatte ich schon aufgegeben nachzufragen, wenn ich nicht richtig verstanden habe. Bis mir ein Freund sagte: Das ist das Schlimmste, denn dann hast du dich schon damit abgefunden, dass du draußen bist. Das war für mich ein Alarmsignal. Es kann aber auch eine Frage an mein Beten sein: Hört mich Gott eigentlich, wenn ich mit ihm spreche? Versteht Gott mich? Oder hat er sich schon längst aus der Kommunikation verabschiedet? Manchmal habe auch ich diesen Eindruck.

Ich darf mein Frust und meine Bedrängnis vor Gott herausschreien

Bevor ich das Hörgerät hatte, mussten die anderen ihre Worte oft noch einmal lauter rufen. Das war demütigend, aber immerhin habe ich es dann kapiert. „Gott, höre mein lautes Rufen.“ So heißt es in dem Psalmvers. Das hebräische Wort für Rufen kann sogar auch Schreien bedeuten. Gott ist nicht schwerhörig, aber das Schreien hilft Menschen, ihrer Not vor Gott Luft zu machen. Arme, Weinende, Bettelnde schreien in der Bibel zu Gott, auch Tiere schreien, dass Gott ihnen Nahrung gebe. Zum Beten gehört in der Bibel, Frust und Bedrängnis vor Gott herausschreien zu können.

Zweimal Gesagtes dringt in andere Tiefen vor

Und auch in der Bibel ist es wichtig, Dinge zweimal zu sagen, nicht nur deshalb, weil es beim ersten Mal nicht gehört wird. Zweimal Gesagtes dringt in andere Tiefen vor. Auch die Psalmen machen das so: Im zweiten Teil eines Verses wird der erste Teil in anderen Worten wiederholt. Sollte Gott es nicht schon beim ersten Mal verstanden haben? Vielleicht schon, aber Gott lässt sich etwas auch gern zweimal sagen.

Ich gebe beim Beten nicht so schnell auf

Ich glaube, Gott stört die Wiederholung nicht, und sicher brauchen wir Menschen sie, weil wir beim Wiederholen besser und neu verstehen. Das gilt auch für das Beten. Für mich bedeutet das: Ich gebe beim Beten nicht so schnell auf, auch wenn ich immer wiederhole, um was ich schon gebetet habe. Oft verstehe ich es dann selber besser, und ich hoffe: Auch Gott wird mich immer besser verstehen.

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