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Glücksbohnen
GettyImages/Serhii Tychynskyi

Glücksbohnen

Claudia Biester
Ein Beitrag von Claudia Biester, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg
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Ich habe mir vorgenommen, es einfach einmal auszuprobieren. Immer wieder stoße ich auf die Geschichte der alten Frau, die sich morgens getrocknete Bohnen in ihre rechte Hosentasche steckt. Jedes Mal, wenn sie im Lauf des Tages etwas Schönes erlebt, nimmt sie eine Bohne aus der rechten Hosentasche und steckt sie in die linke Seite. Abends schaut sie nach, zählt die Bohnen auf der Glücks-Seite und erinnert sich an die schönen Details des Tages.

Mit Bohnen in der Hosentasche auf das kleine Glück schauen

Mir fällt diese Geschichte ein, als ich beim Einkaufen bin und vor dem Regal mit Reis, Linsen und eben auch Bohnen stehe. Ich lege eine der Tüten in meinen Einkaufswagen. Schon der Name gefällt mir: Feuerbohnen. Also los! Mal sehen, ob es gelingt, bewusster zu leben und mit Bohnen in den Hosentaschen auf das kleine Glück zu schauen.

Nicht jeder kleine Spaß ist bohnenwürdiges Glück

Am nächsten Morgen packe ich die Bohnen ein. Sie sind fest und glatt, dunkelgrau und lila gesprenkelt. Fünf Bohnen sollen fürs erste Mal genügen, überlege ich mir. Das ist unauffällig und die Tasche beult nicht aus. Das Spiel macht mir Spaß. Ob ich gleich eine Bohne in die linke Tasche packe? Dann aber beschließe ich: Nein, ein bisschen streng will ich schon sein. Das kleinste bisschen Spaß kann jetzt nicht gleich als bohnenwürdiges Glück bewertet werden. Also bleiben alle fünf Bohnen auf der rechten Seite. Ich breche auf. Ein Arbeitstag im Büro erwartet mich, nichts Besonderes.

Die Sonne kommt hinter dem Berg hervor, als ich vom Haus zum Parkplatz laufe. Ein klarer, schöner Morgen, ganz leichter Dunst liegt noch in der Luft. Ich höre Amseln singen. Ich sehe den knorrigen Apfelbaum im Garten hinter der alten Mauer. Eine Bohne wechselt die Hosentaschenseite. Das gilt diesmal, entscheide ich. Das ist jetzt doch zu schön hier.

Die guten Momente sind gar nicht so selten

Die guten Momente sind gar nicht so selten, merke ich. Eine komplizierte Angelegenheit vom Vortag lässt sich im Büro mit einem Telefongespräch lösen. Eine Bohne wechselt die Hosentaschenseite. Eine Idee entsteht zufällig im Gespräch mit der Kollegin. Noch eine Bohne.

Fünf Bohnen reichen nicht für einen Tag

Ich schaue auf die Uhr. Es ist immer noch Vormittag und mir wird klar: Fünf Bohnen reichen nicht für einen ganzen Tag. Ich stelle etwa drei Stunden nach Beginn das spielerische Unternehmen zufrieden ein. Auch wenn zum Glück bestimmt mehr gehört als Zufriedenheit, gute Laune und das Gefühl von Leichtigkeit – gute Momente dieses Tages sind es allemal und ich habe gespürt, wieviel Gutes mir geschenkt wird.

Die Bohnenkerne drücke ich in die Erde der Büroblumentöpfe und gieße einen Schluck Wasser darüber. Mal schauen, ob sie Ranken ausbilden und meine Glücks-Feuerbohnen in den Himmel wachsen.

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