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Wahrnehmen
Bild: pexels / Mart Produktion

Wahrnehmen

Ein Beitrag von Ralf Ruckert, Evangelischer Pfarrer, Lahntal
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„Woher wissen Sie, dass ich Geburtstag hatte?“ fragt mich der Krankenpfleger. Er schiebt am Aufnahmetag in der Kurklinik mein Gepäck auf einem Trolley vor sich her und strahlt jetzt über das ganze Gesicht.

Kleine Zeichen des Sehens und Gesehen werdens

Ich hatte eine halbe Stunde in der Lobby warten müssen, bis mein Zimmer fertig war. In der Zeit schnappte ich Gesprächsfetzen auf, zwischen ihm und seinen Kolleginnen. Datenschutz sieht anders aus. Aber er freut sich über die Gratulation.

Ein Bekannter lenkt das Gesprächsthema auf das neue Auto, weil er ahnt, dass ich erzählen will. Eine Fremde hält die Fahrstuhltür noch einen Augenblick offen. Kleine Zeichen des Sehens und Gesehenwerdens. Du hast mein Bedürfnis wahrgenommen, hast mich wahrgenommen.

Solche Zeichen tun gut 

Tut gut, oder?

Ich behaupte: Alle wollen gesehen werden, nicht unbedingt im Rampenlicht stehen, aber wahrgenommen.

Okay: Mancher will bloß nicht auffallen, sich vielleicht sogar am liebsten verkriechen.

Aber ich glaube, oft hat so ein Bedürfnis gerade darin seine Ursache, dass die Person sich eben nicht richtig wahrgenommen fühlt. Sie fühlt sich unverstanden in dem, was er oder sie braucht.

Gott sieht uns überall

Von Gott heißt es im 139. Psalm: Wohin soll ich fliehen vor Deinem Angesicht? Du bist ja überall schon da. Selbst am Ende des Meeres. Deine Augen haben mich schon im Mutterleib gesehen. Ich war noch gar nicht fertig. Sogar im Dunkeln siehst Du mich.

Wäre da von einem Menschen die Rede, der mich ständig beobachtet, würde mich das belasten. „Du verstehst meine Gedanken von ferne.“ Oder wie es oft heißt: „der liebe Gott sieht alles“.

Diese Vorstellung gibt mir ein gutes Gefühl

Bei Gott stört mich diese Vorstellung nicht, sondern gibt mir ein gutes Gefühl. Ich glaube: Er versteht mich und kennt meine Bedürfnisse.

Jemand interessiert sich für Dich, ein kleines bisschen im Alltag. Das hebt schon die Stimmung bei den meisten. Und irgendwo gibt es eine Tür, die jemand von uns heute aufhalten kann oder konnte, weil er jemand anderen gesehen hat.

Und dann ist da einer, der weiß, wann Du Geburtstag hast. Und Gott weiß es auch, denn er war schon von Anfang an in meinem Leben dabei.

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