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Was meiner Seele guttut
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Was meiner Seele guttut

Ralf Schweinsberg
Ein Beitrag von Ralf Schweinsberg, Pastor der evangelisch-methodistischen Kirche in Gründau-Rothenbergen
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Unsere Familienphase ist endgültig vorbei, die Kinder sind aus dem Haus. Manchmal genieße ich das, manchmal tut es aber auch weh. Im Urlaub auf dem Campingplatz waren um uns herum lauter junge Familien mit kleinen Kindern. Bei schönsten Sonnenschein sitzen wir auf zwei Campingstühlen, zwischen uns liegt unser Hund. Viele Kinder spielen auf dem Platz und wir gucken zu. Es gibt immer wieder was zum Schmunzeln. Gleichzeitig denke ich: Wie gut, dass wir das hinter uns haben. Ich liebe Kinder, aber sie können auch ganz schön anstrengend sein. 

Sind wir jetzt die Alten?

Wenn man andere beobachtet, wird man vermutlich auch beobachtet. Und wie sehen uns die anderen? Vermutlich sehen sie ein älteres Ehepaar mit Hund, beim Kaffeetrinken, das sich gestört fühlt vom Spielen der Kinder. Als mir das klar wird, möchte ich am liebsten aufspringen, die Wohnwagen und Zelte um uns herum abgeklappert und erklären: „Wir haben selbst drei Kinder. Eure Kinder stören uns wirklich nicht. Ich liebe Kinder. Wir sind nicht das ältere Ehepaar, das sich über Krach der spielenden Kinder ärgert. Da schaut mich meine Frau lächelnd an und sagt: Jetzt sind wir die Alten. Sicher, im Vergleich zu den jungen Familien mag das stimmen. Aber nur weil man die Mitte seines Lebens überschritten hat, ist man doch nicht alt! Ich will nicht alt sein, das ist vielleicht etwas für die anderen. Mein Leben geht weiter, ich habe noch so viel vor.

Alter, was geht?

Mit einem guten Freund war ich früher zum Surfen in Norditalien. Das sind tolle Erinnerungen. Ich habe zu ihm gesagt: Das müssen wir mal wieder machen. Mein Freund hat müde gelächelt und gesagt: Aber ohne mich. Ich pack das nicht mehr. Wahrscheinlich hat er sogar Recht. Trotzdem tut es weh, mir das einzugestehen. Kann ich nicht einfach so weitermachen wie bisher? Was bleibt denn, wenn so vieles wegfällt, das mir früher so wichtig war? 

Unruhig, was jetzt noch kommt

Ich spüre eine Unruhe in mir, die sich nicht greifen lasst. Schon in einem Psalm der Bibel heißt es: Was bist du so unruhig in mir, meine Seele? (Psalm 42, 6). Auch meine Seele ist manchmal unruhig in mir. Wenn ich mein Leben betrachte, dann gibt es vieles, für das ich dankbar sein kann. Meine Frau und ich haben drei Kinder großgezogen, auf die ich stolz bin. Ich liebe meinen Beruf. Ich bin abgesichert, denke ich. Habe doch alles, was ich zum Leben brauche. Sicher gibt es manches, was ich auch gerne hätte, aber das muss nicht wirklich sein. Mir geht es doch gut. Warum aber ist meine Seele so unruhig in mir? Warum kann ich nicht einfach dankbar sein, mich zurücklehnen und sagen: Du hast vieles geschafft, jetzt entspann dich und freu dich deines Lebens. Irgendwie funktioniert das nicht. 

Der reiche Kornbauer im Lukasevangelium

Ich fühle mich wie der reiche Kornbauer, von dem Jesus im Lukasevangelium erzählt (Lukas 12, 16-20). Die Geschichte geht so:

Es war ein reicher Mensch, dessen Land hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und er sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Güter und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!

Volle Lebens-Scheunen, und trotzdem keine Ruhe

Reich würde ich mich wohl nicht nennen, aber ich habe mehr als genug zum Leben, deshalb kann ich mich mit dem Bauern identifizieren, von dem Jesus erzählt. Auch meine Lebens-Scheunen sind voll. Ich weiß nicht, ob ich das alles verdient habe. Hat dieser Kornbauer all das "verdient"? Sicher hat er sich viel Mühe geben, aber nur wenn das Wetter mitspielt, wird er eine große Ernte haben. Es geht doch gar nicht darum, was ich verdient habe, sondern darum, dass ich dankbar dafür bin. Da passt doch der Satz: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! 

Ein Narr, wer nicht versteht, was die Seele wirklich braucht

Aber ich weiß auch: So funktioniert das nicht. Ich kann nicht einfach meiner Seele sagen: Beruhige dich. Es ist alles gut. Du hast doch alles, was du zum Leben brauchst. Das reicht für viele Jahre. Die Geschichte ist hier auch nicht zu Ende. Jesus erzählt weiter: Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Und wem wird dann all das gehören? So geht es jedem, der für sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott. Das ist ein hartes Urteil. Du Narr, sagt Jesus zu diesem Menschen, du Depp, du Idiot. Da hast nicht verstanden, was Leben ist und was dein Leben reich macht. Du hast nicht verstanden, was du für deine Seele brauchst.  

Was braucht meine Seele? Der Mensch, von dem Jesus erzählt, der vermögende Bauer, gibt sich große Mühe, um seine innere Ruhe zu finden, Ruhe für seine aufgescheuchte Seele. Und Jesus nennt ihn einen Narren. Damit meint er nicht die Narren wie von Fastnacht oder Karneval. In der Bibel meint Narr jemand, der oder die unverständig ist, töricht, unverbesserlich. Damit sagt Jesus: Du bist ein Narr, wenn du denkst, dass es im Leben darum geht, möglichst reich zu werden. 

Beziehungen machen reich

Diese Geschichte begleitet mich schon länger. Früher habe ich sie so verstanden: Es geht darum geht, nicht egoistisch zu sein und mit anderen zu teilen. Mittlerweile denke ich, es geht Jesus nicht nur um die Größe meines Besitzes. Es geht ihm meine Beziehungen zu anderen Menschen und zu Gott. 
In der Geschichte dreht sich alles nur um einen Menschen. Da ist von niemand anderem die Rede. Dieser reiche Kornbauer scheint ein einsamer Mensch zu sein. Jetzt hat er eine große, eine richtig große Ernte und will damit seine Seele zu beruhigen? Jesus nennt diese Verhalten einfach nur dumm. So verhält sich jemand, der es eigentlich besser wissen sollte. Es ist, als wenn Jesus sagen würde: Du weißt, worauf es in deinem Leben ankommt. Du wirst keine Ruhe finden für deine Seele. Du betreibst Vorsorge, aber nur in materiellen Dingen. Das wird nicht reichen, das wird deiner Seele nicht reichen. Gott hat uns als Menschen in Beziehungen geschaffen. Wo Beziehungen gelingen, geht es uns gut. 

Wie schön, dass wir zusammen sind

Meine Frau und ich haben im Urlaub oft zusammen Kaffee getrunken. Dabei habe ich neu entdeckt, wie dankbar ich für diesen besonderen Menschen bin, der es mit mir aushält. Immer öfters komme ich jetzt aus meinem Büro und sage zu ihr: Gehen wir noch eine Runde? Das hätte ich früher nicht gemacht, da gab es immer so viel zu tun, da war keine Zeit. Wenn wir jetzt über die Felder oder durch den Wald laufen, spüre ich, was mein Leben wirklich reich macht. Ich bin Gott dankbar für meine materielle Absicherung. Dankbar, dass meine Scheunen nicht leer sind. Aber vor allem bin ich ihm dankbar für die Menschen, die er mir geschenkt hat. Dass meine erwachsenen Kinder immer wieder heimkommen und ich das Gefühl habe, sie kommen gerne. Das es meiner Frau wichtig ist, mit mir Zeit zu verbringen. Das sind Geschenke, die ich neu entdecke. 

Das Beste im Leben kann ich mir nicht verdienen - ich bekomme es trotzdem

Für all das bin ich Gott dankbar. Es ist nicht selbstverständlich. Ich habe es mir auch nicht mit viel Arbeit oder Fließ verdient. Es ist eher wie bei diesem Kornbauer mit seiner unerwartet großen Ernte. Ich will nicht den gleichen Fehler machen wie er. Ich will meine Lebensernte nicht nur für mich behalten. Ich will sie dankbar aus Gottes Hand nehmen und überlegen, wie ich am besten damit umgehe. Ich spüre dann: Das sind gute Gedanken für mich. Meine Seele wird weniger unruhig in mir. Ich brauche keine Panik zu haben, wenn sich Dinge in meinem Leben ändern. Es ist eigentlich auch schön, dass nicht alles immer gleichbleibt, das ich neues entdecken kann. Das ich Zeit für Dinge habe, die früher so nicht möglich waren. Und es ist ein besonderes Geschenk, wenn ich das mit einem lieben Menschen gemeinsam erleben darf. Gott sei Dank. 
 

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