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Gastfreundschaft
Bild: alexy_almond_pixabay

Gastfreundschaft und die Dreifaltigkeit

Anke Jarzina
Ein Beitrag von Anke Jarzina, Katholische Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden
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Ist das schön: der erste Sommer ganz ohne Corona! Zwar taucht das Virus hier und da mal wieder auf, aber es hat seinen Schrecken verloren - der Impfung sei Dank. Was ich dieses Jahr vor allem genieße: die vielen Feste, die endlich wieder ohne Beschränkungen oder Masken stattfinden! Ich finde das super: Ich setze mich mit Freunden oder auch Wildfremden auf Bierzeltgarnituren, manchmal sogar eng auf eng, und genieße ein schönes Gläschen Wein und die Geselligkeit.

Geselligkeit und Gastfreundschaft haben unter Corona gelitten

Ja, für Geselligkeit und Gastfreundschaft waren die Jahre mit Corona echt blöd. Ich weiß noch, wie sich das angefühlt hat: Spontan mal zum Kaffee oder zum Grillen verabreden, das war riskant, zeitweise ja sogar verboten.

Ich mag ein offenes Haus

Wie gut, dass das vorbei ist. Mir ist das nämlich total wichtig: gastfreundlich sein, ein offenes Haus haben, egal für wen. Ich mag es, wenn wir Besuch haben, wenn Leben in der Bude ist: miteinander essen, trinken, reden!

Von niemandem lerne ich mehr als von Fremden

Gastfreundschaft – das ist eines der ältesten menschlichen Kulturgüter überhaupt. Wer gastfreundlich ist, ist dem Anderen – auch und gerade dem Fremden – gegenüber offen, zugewandt und vertrauensvoll. Wenn ich recht drüber nachdenke: Ohne diese Offenheit gegenüber Fremden, ohne Gastfreundschaft hätte sich die Menschheit nie entwickeln können, denn von niemandem lerne ich mehr als von Fremden. An der Begegnung mit jemandem oder etwas, das ich noch nicht kenne, das mir neu ist, kann ich wachsen, mich entwickeln. Wenn ich immer nur im eigenen Saft schmore, komme ich nicht voran – und bleibe allein. Ja, Gastfreundschaft ist essentiell.

Gastfreundschaft gilt als heilig und unantastbar

Gastfreundschaft ist ein ganz zentraler Wert für das menschliche Zusammenleben, in allen Kulturen und Religionen. Oftmals gilt sie sogar als heilig, unantastbar. Im alten Griechenland war es zum Beispiel so, dass jeder, der die Gastfreundschaft verweigerte, göttliche Rache auf sich zog und sogar außer Landes verwiesen werden konnte (vgl. Platon: „Nimoi“).

Jesus, der Wanderprediger, lud sich bei Fremden ein

Auch in den Geschichten der Bibel hat die Gastfreundschaft eine wichtige Bedeutung. Ohne Gastfreundschaft wäre Jesus, der Wanderprediger, wahrscheinlich nicht weit gekommen – denn er war bekannt dafür, dass er sich unterwegs bei Fremden eingeladen hat (vgl. Matthäusevangelium, Kapitel 11, Vers 19). Das Zusammensein mit anderen, das gemeinschaftliche Essen und Trinken, war für ihn so wichtig, dass er es als Zeichen ausgesucht und mit seinen Freunden ein Mahl gefeiert hat, kurz bevor er sterben musste. Noch heute glauben Christinnen und Christen an die Bedeutsamkeit dieses Mahls – und wiederholen es deshalb in jeder Abendmahls- oder Eucharistiefeier.

Im Orient wurde Gastfreundschaft schon immer großgeschrieben

Das Christentum kommt ursprünglich aus dem Orient, wo schon damals Gastfreundschaft großgeschrieben wurde. Eine biblische Geschichte finde ich in Bezug auf die Gastfreundschaft besonders eindrücklich (Buch Genesis / 1. Buch Mose, Kapitel 18): Abraham und seine Frau Sara nehmen drei Pilger bei sich auf, die auf der Durchreise sind. Die beiden legen sich mächtig ins Zeug, um es ihren fremden Gästen so angenehm wie möglich zu machen: Brot wird gebacken, ein Kalb geschlachtet und zubereitet. Abraham und Sara empfangen diese drei wahrscheinlich verschwitzten und schmutzigen Männer wie Könige, freigiebig und herzlich. Die ersten Christen kannten diese Geschichte gut aus der jüdischen Tradition. Sie deuteten sie später als Begegnung Abrahams und Saras mit dem Gott, der sich in Jesus offenbart hat und im Heiligen Geist weiter wirkt. Mit dem Gott also, der „in dreierlei Gestalt“ existiert: als Vater, Sohn und Heiliger Geist, und der die Fähigkeit hat, uns unerkannt zu begegnen – manchmal eben auch in fremden und unerwarteten Gästen.

Gott begegnet uns unerkannt

Im ersten Moment ist das ein ganz schöner Gedankensprung: von der Gastfreundschaft zur Trinitätslehre, der theologischen Rede von der Dreifaltigkeit oder Dreieinigkeit Gottes. Eine komplizierte, theologische Spitzfindigkeit? Nein, denn auf den zweiten Blick hilft mir diese Geschichte von der Gastfreundschaft sogar zu verstehen, was Trinität eigentlich meint.

Wie erkläre ich mir einen dreifaltigen Gott?

Ein dreifaltiger Gott: Wie soll ich mir den denn vorstellen? An dieser Frage haben sich schon viele Gläubige die Zähne ausgebissen und Theologen das Hirn zermartert – trotzdem feiern Christinnen und Christen am heutigen Sonntag das Hochfest der Dreifaltigkeit. Um zu verstehen, was es mit der Dreifaltigkeit eigentlich auf sich hat, sind schon viele Sinnbilder entstanden. Bekannt ist die symbolische Rede von den Aggregatzuständen: Das Element Wasser zum Beispiel existiert in flüssiger, verdampfter oder vereister Form, bleibt aber in jeder Form H2O – so, wie Gott in jeder Form Gott bleibt, ob Vater, Sohn oder Heiliger Geist. Oder das Bild vom Kleeblatt: Es setzt sich aus meist drei herzförmigen Blättchen zusammen und wird nur durch diese Anordnung zum ganzen Kleeblatt.

So erklärt Lepraärztin Ruth Pfau die Dreifaltigkeit
 

Ja, diese Bilder versuchen zu beschreiben, wie Gott ist. Aber: da fehlt mir noch was. Wieso reden wir überhaupt von Dreifaltigkeit und nicht einfach von einem Gott - und fertig? Überzeugend finde ich das, was die Ordensfrau und Lepraärztin Ruth Pfau mal formuliert hat: "Wenn … Gott nicht nur Liebe hat, sondern Liebe ist, und wenn Liebe notwendig nicht selbstbezogen, sondern dialogisch ist, dann muss es in Gott selber Dialog geben. Das ist es, was wir stammelnd als Trinitätslehre auszudrücken versuchen." 

Beim Versuch, Gott zu erklären, können wir nur „stammeln“

Ja, das glaube ich auch: Theologie, die intellektuell erklären und in Dogmen festhalten will, was oder wer Gott ist, kann letztlich nur „stammeln“. Das ist vielleicht so ähnlich, wie wenn Naturwissenschaftler die Liebe auf hormonelle Prozesse reduzieren. Ganz falsch ist das nicht, aber Liebe ist doch so viel mehr als das – und dieses „Mehr“ lässt sich eben nicht rein verstandesmäßig begreifen. Das gilt, glaub ich, auch für Gott - von dem die Bibel ja sagt, dass er Liebe ist (Erster Johannesbrief, Kapitel 4, Vers 16).

Gott begegnet mir im Vertrauten und im Fremden

Gott ist kein Gott, auf den ich mit dem Finger zeigen und sagen kann: Da ist er - und so ist er und so ist er nicht. Gott ereignet sich, er entfaltet sich, wenn wir uns mit ihm und miteinander verbinden. Und da kommt auch die Gastfreundschaft wieder ins Spiel: Wenn ich anderen gastfreundlich, offen, zugewandt und vertrauensvoll begegne, dann kann ich etwas von der Liebe Gottes spüren. Das ist es, was ich heute am Dreifaltigkeitssonntag feiere: Gott begegnet mir. Manchmal im Vertrauten, manchmal im Fremden – und vielleicht gerade da besonders. In fremden Menschen können uns Engel und sogar Gott selbst begegnen. Die Bibel ist voll von solchen Geschichten. Und was schon damals bei Abraham und Sara so war, das, glaube ich, gilt noch immer.

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