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Schlaf schön, du Kind Gottes
Bild: pixabay

Schlaf schön, du Kind Gottes

Ayleen Nüchter
Ein Beitrag von Ayleen Nüchter, Katholische Gemeindereferentin im Pastoralverbund St. Benedikt Hünfelder Land
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Es ist 21.44 Uhr. Ich weiß die Uhrzeit so genau, weil mir die Einschlafzeit meines neugeborenen Kindes an diesem Abend ewig vorkommt. Ich blicke ungeduldig auf den Zeiger meines Weckers. Durch das erneute Hinsehen auf die Uhr wird mir voller Überraschung bewusst, wie lange wir schon probieren einzuschlafen. Das Wörtchen "wir" ist in diesem Fall nicht ganz richtig. Meine vier Wochen alte Tochter hat nämlich beschlossen, noch etwas wach zu bleiben. Ich übe mich also in Geduld und versuche selbst nicht unruhig zu werden. Durch das gedimmte Licht im Kinderzimmer ertappe ich mich dabei, selbst müde zu werden. Vielleicht schalte ich den Sternenprojektor an, denke ich mir. Viele bunte Sterne werden durch ein kleines summendes Gerät an die Zimmerdecke gestrahlt. Laut der Beschreibung wirkt es auf Kinder beruhigend und hilft beim Einschlafen. Das Antippen des Startknopfes lässt jedoch ein rotes Lämpchen blinken. Akku leer. Na gut, dann eben nicht.

Alles versucht

Beim Einschlafen meiner Tochter half es gestern, sie am Arm zu tragen und zu singen. "Probieren wir das doch noch einmal", flüstere ich hoffnungsvoll. Obwohl dieser kleine Mensch erst knappe 4 Kilo wiegt, wird das Tragen nach einer längeren Zeit schwer. Behutsame Wippbewegungen meiner Arme bewirken, dass ihre sonst so neugierigen Augen von Minute zu Minute kleiner werden. Doch sobald ich aufhöre zu singen oder noch mutiger bin und versuche, sie ins Bettchen zu legen, ist sie wieder hellwach. Also bleibe ich dabei und überlege, welches Lied ich als nächstes singen könnte.

Weißt du, wieviel Sternlein stehen?

Nach den Klassikern "LaLeLu" und "Schlaf Kindlein Schlaf" fällt mir eines ein, was mein Vater schon meinen Geschwistern und mir bei dem Zubettgehen vorgesungen hat: "Weißt du, wie viel Sternlein stehen?" Ich beginne das Lied mit seiner eingängigen Melodie zu singen und stelle erfreut fest, dass der Herzschlag meiner Tochter langsamer und ihre Atmung flacher wird. "Es scheint zu klappen", sind meine Gedanken, während ich auf eine Zeile des Liedes stoße, die mich besonders anspricht: "Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet." Während des Singens dieser mir vertrauten Strophe stelle ich mir vor, wie die Zählung der Sterne wohl vonstattengehen könnte. Doch schnell merke ich, wie unwichtig es ist, wie viele es von ihnen tatsächlich gibt. Vielmehr steht der Wert jedes einzelnen Sterns im Fokus.

Jeder hat seinen Platz

Das, was mich an diesem alten Kinderlied so tief berührt, ist also nicht die Frage nach der Anzahl der Sternlein, sondern der zweite Teil des Satzes, "dass ihm auch nicht eines fehlet". Gott ist es wichtig, keinen Stern zu vergessen oder zu übersehen. Nachzählen hat in diesem Fall etwas Fürsorgliches. Es zeigt, dass jeder Einzelne von hoher Bedeutung ist. Bei dem Blick in den dunklen Himmel des Kinderzimmerfensters entdecke ich einige funkelnde Sternlein und stelle schmunzelnd fest: Bei Gott gibt es eine Ordnung, in der jeder noch so weit entfernte Stern seinen Platz hat.

Musik

Der Text des Liedes "Weißt du, wie viel Sternlein stehen?“ wurde von einem deutschen Pfarrer, Lieder- und Fabeldichter namens Wilhelm Hey im Jahr 1837 geschrieben. Vom Schlafen ist erst in der dritten Strophe die Rede. Trotzdem ist es schon hunderte Jahre beliebt und sicher ebenso viele Male etlichen Babys zum Einschlafen vorgesungen worden. Das Wiegenlied sagt aus, dass diese Erde mit all seinen Geschöpfen, Gottes Werk und somit wertvoll ist. Wer sich den Text genauer anschaut, stellt fest, dass hier ein biblischer Psalm zugrunde liegt. Menschen schrieben vor Jahrtausenden grundlegende Erfahrungen ihres Lebens in über 100 Psalmen nieder. Sie haben diese Eindrücke als Gebete, Lieder und poetische Zeilen formuliert. Diese können wir heute in der Bibel nachlesen. In Psalm 8 aus dem Alten Testament heißt es:

Wenn ich deinen Himmel anschaue,
die Werke deiner Finger, Mond und Sterne,
die du bereitet hast:
Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst,
und des Menschen Sohn,
dass du dich um ihn kümmerst?
Du hast ihn wenig geringer gemacht als Gott,
mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt.

Der Psalm beschreibt eindrucksvoll das Staunen über die Schönheit des Himmels in der Nacht. Hier ist Gott als Schöpfer von Mond und Sternen benannt. In den uralten Zeilen aus der Bibel klingt die Freude über den Stellenwert des Menschen bei Gott an. Die Aussage, dass ich als Mensch nur wenig geringer gemacht bin als er, ehrt mich. Das Vertrauen darauf, dass es jemanden gibt, der diese Welt und mich als Mensch aus Liebe geschaffen hat, lässt mich spüren: Die Sterne oben am Himmel sind nicht zufällig dort. Sie sind wunderbare Werke Gottes. Noch in Gedanken versunken blicke ich auf meine Tochter im Wölkchenschlafanzug auf meinem Arm. Sie hat nun endlich ihre Augen geschlossen und schläft.

Musik

Obwohl mein Baby inzwischen ruhig schlummert, höre ich nicht auf zu singen. Ehrlich gestanden ist es aber immer nur die erste Strophe; in Dauerschleife. Automatisch entstehen in meinem Kopf Bilder meiner eigenen Erfahrungen aus meiner Kindheit mit dem Lied "Weißt du, wie viel Sternlein stehen?". Als ich selbst klein war und mit meinem jüngeren Bruder das Kinderzimmer teilte, lagen auch wir abends im Bett und lauschten dem bekannten Schlaflied. Noch heute höre ich die Stimme meines Vaters und sehe ihn vor meinem inneren Auge. Er hockte vor unseren Gitterbettchen und sang so lange, bis unsere Äuglein zufielen. Was mir dabei in guter Erinnerung geblieben ist, ist die dritte Strophe. Sie gefiel mir insgeheim noch besser als die Erste. Vielleicht, weil ich mich als Kind besonders in dem letzten Satz persönlich angesprochen fühlte. Hier heißt es:

Weißt du, wie viel Kinder frühe stehn aus ihrem Bettlein auf,
dass sie ohne Sorg und Mühe fröhlich sind im Tageslauf?
Gott im Himmel hat an allen seine Lust, sein Wohlgefallen;
kennt auch dich und hat dich lieb,
kennt auch dich und hat dich lieb.

Der Fabeldichter des Textes wusste meiner Einschätzung nach genau um die Sorgen und Bedürfnisse der Allerkleinsten. Wie viel mehr braucht es als jemanden, der einen kennt und liebhat? Doch ganz so einfach ist es eben nicht. Es gibt sie nämlich; die Abende, an denen man sich dessen nicht bewusst ist. Wer kennt mich bis ins Innerste und hat mich dann auch noch mit all meinen Fehlern und Schwächen, genau so wie ich bin, unendlich lieb? Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor - es ist schließlich kein seltenes Phänomen, abends mit vollem Herz und tausenden Gedanken im Kopf wach zu liegen. Ob als Kind oder Erwachsener; aufregende Erlebnisse des Tages beschäftigen mich, Schicksalsschläge wühlen mich auf. Oder aber es gibt Kummer, der dafür sorgt, kein Auge zuzubekommen. Wenn das Einschlafen schwerfällt, sprechen die Zeilen jeden an, der dieses Lied singt oder vorgesungen bekommt: Gott kennt auch dich und hat dich lieb.

Eine Sternschnuppe

Als Christin bin ich fest davon überzeugt: Ähnlich wie auf die wahnsinnig vielen Sterne am Himmel hat Gott den Blick auf uns hier auf der Erde. Sie und ich, jedes noch so kleine Kind ist von ihm gewollt und wunderbar gemacht. Mit allem, was mich bewegt, darf ich mich geliebt wissen. Diese Zusage vor dem Einschlafen vorgesungen zu bekommen, ist wirklich ein Segen. Für mein neugeborenes Kind; aber auch für mich. Als mir das bewusst wird, ziehe ich am Gurt der Fensterrollläden, um einen noch besseren Blick in den Himmel zu bekommen. Im nächsten Augenblick entdecke ich eine Sternschnuppe, die über den Horizont blitzt. Es heißt, wenn man eine von ihnen sieht, darf man sich etwas wünschen. Doch für heute gibt es nichts, was mir fehlt, denn das, was ich soeben erkannt habe, macht mich glücklich: Ein jeder Mensch ist zutiefst von Gott geliebt und ein jedes noch so unscheinbare Funkeln am Sternenhimmel ist unersetzlich.

Schlaflieder sind nicht nur für Kinder da

Schlaflieder sind also nicht ausschließlich für Kinder, sondern tun nach einem langen Tag definitiv auch Erwachsenen gut. Noch nie zuvor habe ich über bestimmte Liedzeilen eines Einschlafliedes so lange nachgedacht wie in dieser Nacht. Obwohl ich meine Tochter inzwischen in ihre Wiege gelegt habe, summe ich noch leise weiter und denke lächelnd an die Botschaft des Liedes "Weißt du wie viel Sternlein stehen, an dem blauen Himmelszelt? Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet".

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