Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Gute Vorsätze und die Chance, mich zu ändern
GettyImages/ Delpixart

Gute Vorsätze und die Chance, mich zu ändern

Ralf Schweinsberg
Ein Beitrag von Ralf Schweinsberg, Pastor der evangelisch-methodistischen Kirche in Gründau-Rothenbergen
Beitrag anhören:

Als ich jünger war, habe ich am 1. Januar immer gute Vorsätze gefasst. Ich wollte in jedem neuen Jahr Dinge ändern und besser machen. Ich wollte im neuen Jahr auch neu beginnen. Ich war davon überzeugt: Es geht - ich kann die Dinge verändern und auch mich selbst.

Dann kam die Phase, in der ich darüber nur noch schmunzeln konnte. Gute Vorsätze für das neue Jahr? Das ist doch nur etwas für Träumer. Darüber bin ich hinaus, das bin ich nicht mehr. Jetzt bin ich erwachsen geworden. Ich weiß, dass sich im neuen Jahr nicht alles ändern wird. Was bringen gute Vorsätze am Jahresanfang, die man doch eh nicht halten wird?

"Du kannst doch eh nichts ändern!"

Diese Phase war ernüchternd. Ich habe gemerkt: Ich bin nicht nur erwachsen geworden. Ich bin auch manchen Träumen und Idealen entwachsen. Es ist schade, wenn ich nicht mehr darauf hoffe, dass sich Umstände verbessern können. Ich will mich nicht mit dem Satz abfinden: „Du kannst eh nichts ändern“.

Natürlich bin ich oft in mir gefangen und komme nicht aus meiner Haut raus. Einiges braucht außerdem seine Zeit. Ich kann es nicht von heute auf morgen ändern. Aber darf ich deshalb nicht mehr träumen und die Hoffnung haben, dass ich mich zum Besseren entwickeln kann? Der Fernsehkoch Horst Lichter hat einmal gesagt: "Arm ist nicht der, dessen Träume nicht in Erfüllung gehen, sondern der, der nicht träumt."

So kam ich mir tatsächlich vor: Arm, weil ich dachte, als Erwachsener darf ich nicht mehr träumen. Das ist etwas für Kinder. Bis ich gemerkt habe: Es ist wichtig zu träumen, auch wenn nicht alle Träume in Erfüllung gehen.

MUSIK

Als junger Mensch habe ich jedes Jahr mit guten Vorsätzen begonnen. Dann kam die Phase: Ach was, das ist doch nur was für Träumer! Heute träume ich wieder. Ich träume davon, dass ich mich ändern kann, wenn etwas im Argen liegt, dass ich Dinge zum Besseren ändern kann. Natürlich weiß ich, dass das nicht so einfach ist.

Warum ich wieder begonnen habe zu träumen

Trotzdem: Ein Leben ohne Hoffnung ist arm. Dinge zu ändern, kostet viel Kraft. Aber diese Kraft kommt aus meinen Träumen, aus meiner Hoffnung.

So habe ich mir überlegt, was ich 2022 ändern möchte. Was sind denn meine Träume, welche Hoffnung habe ich für das neue Jahr? Und wie kann ich sie erreichen? Damit aus guten Vorsätzen, aus Träumen und Hoffnung etwas entstehen kann, muss ich mich auf den Weg machen.

Mein Vorbild

Dieser Weg begann für mich vor ein paar Wochen. Ich bin in meiner Bibel auf die Geschichte von Johannes dem Täufer gestoßen. Dieser Johannes lebte zur Zeit Jesu in der Wüste nahe Jerusalems. Er war ein Aussteiger, ein Asket. Er hatte nur ein grobes Gewand aus Kamelhaaren und lebte von Heuschrecken und wildem Honig.

Seine karge, schroffe Erscheinung passte gut zu seiner Botschaft. Er nahm kein Blatt vor den Mund und hielt seinen Zeitgenossen vor, was alles nicht gut lief: "Ändert euer Leben! Gott wird bald seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden! Darauf müsst ihr vorbereitet sein", sagte er. Oder: "Ihr Schlangenbrut, wer hat euch gesagt, dass ihr dem bevorstehenden Gericht Gottes entgehen könnt?"

Das Alte hinter dir lassen und neu auftauchen

Nicht besonders charmant. Wer lässt sich gern so beschimpfen? So einen Typen kann man leicht für einen Spinner halten. Aber die Leute strömten in Scharen zu Johannes in die Wüste am Fluss Jordan. Sie bekannten öffentlich ihre Sünden.

Als Zeichen dafür, dass sie hinter sich lassen wollten, was sie falsch gemacht haben, ließen sie sich von Johannes in den Jordan eintauchen und wieder aus dem Wasser ziehen. In der Bibel heißt das Taufe: das Alte hinter sich lassen – neu auftauchen.

Ich habe mich gefragt, was die Menschen zu Johannes trieb. War es sein spektakuläres Auftreten, seine schonungslose Ehrlichkeit? Oder sahen die Menschen damals auch eine echte Chance auf Veränderung, die ihnen Johannes bot? Ihr müsst nicht bleiben, wie ihr seid! Ihr seid nicht auf eure alten Fehler festgelegt. Ihr könnt anders werden.

Ballast abwerfen

Vielleicht hat das die Menschen motiviert, sich von Johannes vorhalten zu lassen, was sie falsch machten. Sie "bekannten ihre Sünden", so heißt es in der Bibel, und Johannes taufte sie. Diese Taufe war für sie wie ein Abwaschen ihrer Schuld. Johannes bot ihnen die Chance, Dinge zurückzulassen und neu anzufangen.

Vielleicht reicht es nicht aus, gute Vorsätze für das neue Jahr zu fassen. Vielleicht muss ich vorher auch Altes zurücklassen?

MUSIK

Dieses Jahr habe ich an Neujahr mal wieder gute Vorsätze gefasst. Ich will Dinge in meinem Leben ändern, manches auch einfach nur lassen.

Erster Schritt: Die guten Aufsätze aufschreiben

Damit ich meine guten Vorsätze nicht schon nach ein paar Wochen wieder vergesse, habe ich sie aufgeschrieben. Das macht die Sache konkreter, verbindlicher.

Aber es reicht natürlich nicht, sie aufzuschreiben. Ich muss loslegen. Also habe ich überlegt, was ich denn ganz konkret ändern will. Das war richtig spannend und gar nicht so einfach.

Auf meiner Liste der guten Vorsätze steht ganz oben: nicht immer mehr machen. Die Erwartungen an mich selbst nicht immer höher schrauben. Darum habe ich in diesem Jahr zum ersten Mal auch überlegt: Was lasse ich? Was muss ich loslassen?

Zweiter Schritt: Aussprechen, was ich loswerden will

Ich nehme mir dafür Johannes den Täufer zum Vorbild. Er hat den Menschen damals gesagt: Ihr müsst erst einmal aussprechen, was ihr loswerden wollt, was euch zu schaffen macht, was euch belastet. In der Sprache von Johannes dem Täufer: Was eure Sünden sind, also das, was euch von einem Leben trennt, wie es Gott gefällt.

Das Aussprechen ist wichtig. Wenn ich benenne, was mein Ballast ist, passiert etwas mit meinen Gedanken. Manchmal erscheinen mir die Dinge in meinem Kopf ganz einfach und klar. Aber wenn ich anfange, sie zu formulieren, wenn ich jemandem davon erzählen, dann erst merke ich: Vieles ist gar nicht so klar und schon gar nicht so einfach. Ich muss mich sortieren - und dabei hilft, es auszusprechen.  

Dritter Schritt: Was kann ich ganz konkret tun?

Zum Beispiel: Vielleicht möchte ich, dass sich meine Beziehung zu einem Menschen verbessert. Was heißt das konkret? Kann ich benennen, was die Beziehung belastet? Und wenn ich das klar habe, was kann ich im neuen Jahr für diese Beziehung tun? Was kann ich bei mir ändern oder was einfach lassen? All das wird deutlicher, wenn ich es ausspreche, einem anderen erzähle.

Nicht immer habe ich jemanden, dem ich das erzählen kann oder möchte. Dann hilft mir auch ein Selbstgespräch oder ein Gespräch mit Gott. Ich tue das gern, wenn ich alleine spazieren gehe. Dann rede ich laut mit Gott. Ich erzähle, was mich beschäftigt, was mir zu schaffen macht und was ich ändern möchte. Ich habe dabei immer wieder den Eindruck: Gott hört mir zu. Gott versteht mich und hilft mir, die Dinge klarer zu sehen.

Schaffe ich es dieses Jahr?

Ob ich dieses Jahr meine guten Vorsätze wahrmache? Ob ich es schaffe, was zu ändern? Ich weiß es nicht. Aber ich finde, das ist nicht entscheidend. Wichtig ist mir: Ich will mich nicht mehr damit abfinden, dass ich angeblich eh nichts ändern kann. Ich glaube: Gott macht mir Mut, es immer wieder neu zu versuchen.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren