Aber bitte mit Sahne
Oft sitzt Erika in der Eisdiele. Meistens sonntags. Sie bestellt einen Becher Eis. Erika ist fast achtzig und kann sich das leisten. Viel Eis, aber bitte mit Sahne. Sie ist schlank und hat eine gute Rente. Oberstudienrätin war sie, Mathematik und Physik waren ihre Fächer. Fast wäre sie Rektorin geworden. Aber das war zu Zeiten, als Männer immer den Vorzug bekamen.
Erika ist alleine. Seit sie denken kann. Die Eltern starben früh,
der Bruder wenig später. Erika pflegt ihre Gräber. Mit Hingabe und Gesundheit. Nie hatte sie selbst etwas, außer Schnupfen. Kein Krankenhaus, nichts. Ein Wunder, sagt Erika und geht in die Eisdiele, meistens sonntags. Da genießt sie ihr Leben. Und den lieben Gott.
Es ist ihr ernst damit. Sie geht auch zum Danken. Einen großen Kaffee, schwarz. Ein oder zwei Zigaretten. Und einen Eisbecher mit viel Sahne.
Weil sie so dankbar ist. Für ihr Leben, ihre Gesundheit, die Zuneigung von Menschen. Bis heute lassen Schüler ihr Grüße ausrichten. Bis heute gesund und munter. Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen, denkt Erika. Es sei denn, es ist Gnade. Unverdiente. Gnade darf man nie übersehen. Darum der Spaziergang zur Eisdiele. Genuss und Gottesdienst ist das. Bei jedem Schluck Kaffee, bei jedem Löffel Eis ist Dank dabei. Dank, sagt Erika, darf ich nicht auf die lange Bank schieben. Dank braucht Ausdruck, feste Formen. Sonst vergisst man ihn leicht. Und lebt undankbar. Das kann ich nicht, sagt Erika. Und freut sich die ganze Woche auf den Genuss. Und ihren Gottesdienst. Danke, sagt Erika dann leise, danke; du bist mein Gott.