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Gott ist nah – auch in der Katastrophe
Bild: Pixabay

Gott ist nah – auch in der Katastrophe

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen

Überlebende haben später erzählt: „Die Kapelle hat bis zum Schluss gespielt“. Als die Titanic am 15. April 1912 gesunken ist, waren noch über 1500 Menschen auf dem beschädigten Schiff – auch die Musiker. Normalerweise spielten sie zur Unterhaltung der besser gestellten Passagiere. Auch die Musiker sind beim Untergang des Luxusschiffs gestorben. Nur 706 Personen wurden damals gerettet. 

Trotzdem bin ich nicht „gottverlassen“

Es ist nicht ganz klar, welches Stück die Musiker wirklich als letztes gespielt haben. Manche Überlebenden erinnerten sich an den Choral „Näher mein Gott zu dir“, der in vielen christlichen Kirchen sehr bekannt ist. (Gotteslob Nr. 502/ ev. Gesangbuch z.T. regional Nr. 691)

Im Liedtext geht es um die Nähe zu Gott und die Verbindung zu ihm. Ich weiß nicht, ob der Choral ein Trost war für die Menschen auf der Titanic, die den Tod vor Augen hatten.  Mich erinnert die Geschichte heute daran: Gott ist auch in der größten Katastrophe da. Als Christin glaube ich: Gott ist mir in meinem Leben nah. Manchmal sind die Umstände vielleicht hart oder gar katastrophal - und trotzdem bin ich nicht „gottverlassen“.

Näher geht es nicht

An Ostern haben Christinnen und Christen auf der ganzen Welt die Auferstehung Jesu gefeiert. Für gläubige Christen ist Gott in Jesus Mensch geworden – mit allem, was dazugehört. Er hat gelitten und ist sogar gestorben.

Für Christinnen und Christen bedeutet das: Gott kennt das Leben sozusagen „in echt“ – er weiß, wie sich Freude und Verzweiflung anfühlen, weil Gott in Jesus so nah am Leben der Menschen dran war. Näher geht es nicht. 

Es gibt Momente, in denen ich schreien möchte

Ich gebe zu: In meinem Leben fühle auch ich diese Nähe Gottes nicht immer. Es gibt Tage, da wurschtele ich mich so durch meinen Alltag. Und wie sich eine echte Katastrophe anfühlt, kann ich – Gott sei Dank – nicht beurteilen. Aber ich kann mir vorstellen: Es gibt Momente, in denen ich wie Jesus am Kreuz schreien möchte: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus-Evangelium 27,46)

Und in anderen Momenten spüre ich eine Nähe, die ich nicht erklären kann. Dann kann ich von einem „himmlischen Moment“ sprechen oder von einer „glücklichen Fügung“. 

Solche Momente bestärken mich

Vielleicht ein bisschen so, wie es der Choral beschreibt: Er spielt auf eine Geschichte im Alten Testament an. In der wird erzählt, wie Abrahams Sohn Jakob in der Wüste übernachtet. Er sieht im Traum eine Leiter zwischen Himmel und Erde, auf der Engel hinauf- und heruntersteigen und an deren oberen Ende Gott selbst steht. (Genesis/1. Mose 28, 11-19)

Jedenfalls bestärken mich solche Momente darin, zu vertrauen: Die Verbindung zu Gott ist da. Ich bin überzeugt davon: Sie hängt nicht davon ab, ob ich sie gerade spüren kann. Und ich hoffe, dass ich sie spüren kann, wenn ich dem Tod einmal so nahe bin wie die Menschen auf der Titanic.

 

 

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