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Respekt für den anderen
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Respekt für den anderen

Hannah Woernle
Ein Beitrag von Hannah Woernle, Evangelische Pfarrerin in Alsbach/Bergstraße
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Ein uniformierter Polizist kniet auf einer dunklen, verdreckten Straße. Vor ihm: ein junger Mann. Er ist schwarz, trägt ein Achselshirt. Der Polizist beugt sich vor und wäscht dem jungen Mann die Füße.
Eine Klimaaktivistin demonstriert vor einem Tagebau. Sie ist wütend. Einer der Bauarbeiter kommt zu ihr. Aus seinem Helm gießt er Wasser über ihre Füße.
Ein Jugendlicher kniet im Wohnzimmer. Vor ihm ein älterer Mann, vielleicht sein Großvater. Behutsam taucht der junge Mann den Fuß des alten in eine Schale mit Wasser.

Werbung für eine besondere Botschaft

Zu sehen war all das beim letzten Super Bowl, dem Finale der amerikanischen Football-Liga. Große Marken nutzen die weltweit hohen Einschaltquoten für außergewöhnliche Werbeclips. Und auch religiöse Gruppen verbreiten ihre Botschaft.

So war es auch bei diesem kurzen Clip, in dem unterschiedliche Menschen einander die Füße waschen. Menschen, bei denen man sonst eher sehen würde, was sie voneinander trennt.

Ich stelle mir vor, wenn man diese Bilder live im Fernsehen sieht zwischen Werbung für besonders scharfe Chips und für einen Lieferservice. Dann kommen sie ziemlich unerwartet – und berühren wahrscheinlich gerade deshalb so sehr.

Zuwendung trotz Misstrauen

Eine unerwartete Zuwendung. Dieser Clip spielt auf eine Geschichte aus der Bibel an. Sie spielt heute, am Gründonnerstag, dem Tag, bevor Jesus stirbt. Seinen letzten Abend verbringt Jesus mit seinen Jüngern. Sie essen gemeinsam. In der Nacht darauf wird er verhaftet. Der Freund, der ihn verrät, sitzt mit am Tisch. Judas heißt er. Wahrscheinlich liegt schon jetzt Misstrauen in der Luft.

Trotzdem gibt es nach dem Essen einen besonderen Moment. Jesus, dem die anderen nachfolgen, zu dem sie aufsehen, der kniet vor seinen Jüngern nieder. Auch vor Judas. Er nimmt eine Schale mit Wasser und wäscht ihm und den anderen die Füße. Damals war das ein Zeichen von Respekt. Wer einem anderen die Füße wäscht, der zeigt ihm: Du bist ein besonderer Mensch. Einer der Jünger protestiert: Wie kann es sein, dass Jesus ihm die Ehre erweist? Sollte es nicht andersherum sein?
Doch Jesus antwortet: Ich stehe nicht über euch. Sondern: ich wasche euch die Füße. Darum: Macht das auch untereinander. Tut einander Gutes. Zeigt euch, dass ihr euch respektiert. (Joh 13,1-20)

Respekt trotz allem

Mich beeindruckt diese Geschichte. Jesus, der sich niederkniet und die Füße wäscht - auch Judas, seinem Verräter. Jesus stimmt ihn damit nicht um. Doch der Graben, der zwischen Judas und ihm entstanden ist, wird für einen Moment überbrückt - durch diese unerwartet liebevolle Handlung.

Der Clip beim Super Bowl endet mit den Worten: Jesus hat nicht Hass gelehrt. Er hat Füße gewaschen. 

Es geht nicht um das, was zwischen Jesus und Judas steht. Sondern um Respekt, trotz allem.

Das gilt auch heute. Egal, was uns trennt – jede und jeder ist ein besonderer Mensch. Und braucht hin und wieder einen, der ihm eine Schale mit Wasser vor die Füße stellt.

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