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Wahlfamilien
fundus/Peter Bongard

Wahlfamilien

Hannah Woernle
Ein Beitrag von Hannah Woernle, Evangelische Pfarrerin in Alsbach/Bergstraße
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Seit Kurzem hängt ein neues Lieblingsfoto bei mir an der Wand. Vier Erwachsene und zwei kleine Kinder strahlen um die Wette in die Kamera. Auf dem Foto sind mein Mann und ich, ein befreundetes Paar und deren Kindern. Der dreijährige Sohn ist auf meinem Arm und grinst frech in die Kamera. Seine kleine Schwester ist bei ihrem Vater und lächelt entspannt in sich hinein. Ein schöner Moment war das!

Aus Freundschaft wird Familie

„Ist das deine Familie?“, fragt mich eine Arbeitskollegin, als sie das Bild bei mir hängen sieht. Ich überlege kurz. Dann sage ich: „Ja, das kann man so sagen!“
Denn so fühlt sich diese Freundschaft für mich tatsächlich an: Wie Familie.
Seit dem Moment, in dem das Foto aufgenommen wurde, noch ein bisschen mehr. Das Bild wurde nämlich geschossen, kurz nachdem das kleine Mädchen getauft wurde. Mein Mann und ich sind ihr Taufpate und ihre Taufpatin geworden. Bei der Taufe haben wir versprochen, dass wir sie auf ihrem Lebensweg begleiten. Und: dass wir unseren Glauben mit ihr teilen. Dass wir ihr von dem erzählen, woran wir glauben und ihr das vorleben, was uns wichtig ist. Damit übernehmen wir ein Stück Verantwortung für sie. Wie Familie eben.

Gemeinsam Verantwortung übernehmen

Ich finde es großartig, dass es Tauf-Paten gibt. Damit wird den Eltern signalisiert: Ihr müsst nicht alles allein schaffen. Sucht euch Menschen, die euch bei der Erziehung eurer Kinder unterstützen. Am Taufbecken entsteht auf diese Weise eine kleine Wahlfamilie. Dafür braucht es keine gemeinsamen Gene oder Trauscheine. Sondern die gemeinsame Verantwortung für das Kind macht diese Familienbande aus.

Taufpatinnen und -paten haben keine rechtliche Funktion. Doch in der Politik wird gerade darüber diskutiert, sogenannte Verantwortungsgemeinschaften einzuführen, für Menschen, die füreinander wie Familie sind. Und die einander auch rechtlich absichern wollen. Zum Beispiel eine Gruppe alleinstehender Freundinnen, die zusammenlebt. Oder alte Menschen, die ihren Alltag gemeinsam bewältigen. Auch die können füreinander zur Familie werden. Ich finde das richtig gut, wenn Familie neu und weiter gedacht wird. Wobei: So neu ist das gar nicht.

Auch Jesus hatte eine Wahlfamilie

Es gibt eine Geschichte in der Bibel, in der sagt Jesus: „Meine Familie, das sind die Menschen, die meinen Glauben teilen. Sie sind meine Geschwister.“ Mir gefällt die Vorstellung, dass auch Jesus auch so etwas wie eine Wahlfamilie hatte. Und dass auch er der Meinung war: Für Familie braucht es nicht unbedingt gemeinsame Gene. Entscheidend ist: Mit wem teile ich das, was mir wichtig ist? Wer begleitet mich in meinem Leben?

Ich schaue wieder auf das Foto an meiner Wand. Ja, unsere Freunde und ihre Kinder gehören für mich zur Familie. Ob mein Patenkind das auch einmal über uns sagen wird? Auf jeden Fall wollen wir ihren Lebensweg begleiten und für sie da sein. Wie Familie.

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