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Was berührt mein Herz – Fastentuch in der Stadtpfarrkirche Fulda
Bild: Stadtpfarrei Fulda

Was berührt mein Herz – Fastentuch in der Stadtpfarrkirche Fulda

Michael Friedrich
Ein Beitrag von Michael Friedrich, Katholischer Diakon in der Pfarrei St. Peter und Paul, Hosenfeld
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Das amerikanische Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude sorgte in den Achtziger- und Neunzigerjahren mit Verhüllungsaktionen für Aufsehen. Es verpackte unter anderem den Berliner Reichstag. Das Verhüllen ermöglicht es, gewohnte Dinge mit anderen Augen zu sehen. Dieses Prinzip wenden die christlichen Kirchen schon seit mehr als 1000 Jahren an, wenn sie in der Fastenzeit meist Teile des Altarraumes - zumindest aber das Kreuz - verhüllen. Der Ursprung liegt vermutlich im jüdischen Tempelvorhang. Anfangs waren die Fastentücher symbolische Objekte aus einfarbigem Stoff. Altar, Kreuz und Bilder sollten den Blicken der Gläubigen entzogen werden. Den Kirchgängern wird damit eine Art Augenfasten auferlegt. Das Fastentuch wurde schließlich aber auch als eine Form christlicher Kunst entdeckt. Und ein solch künstlerisch gestaltetes Fastentuch können Sie derzeit in der Stadtpfarrkirche in Fulda sehen.

Ein Kunstwerk – zwei Interpretationen

Man kann das Kunstwerk aus zwei Sichtweisen betrachten. Die erste: Zu sehen ist ein schwungvoll gemaltes rotes Herz, das von einem Riss durchzogen ist, der von links oben nach rechts unten führt. Die zweite: Ein Riss durchzieht das Tuch von links oben nach rechts unten.

Nach einer Teilstrecke wird dieser Riss von einem schwungvoll rot gemalten Herzen eingefasst. In Worten stellt das Fastentuch die Frage: „Was berührt mein Herz?“

Risse und ein Herz: Ein Riss in einer Straße oder einer Wand entsteht, wenn es zuvor zu Bewegungen in den unteren Schichten gekommen ist. Schließlich hält die harte Oberfläche die darunter liegende Spannung nicht mehr aus und es entsteht ein Spalt oder Riss. Da gibt es ein Bild, bei dem mir sofort die tägliche Realität in den Sinn kommt: Risse in unserer Gesellschaft, aber auch Unfrieden zwischen Völkern, Nationen und Weltanschauungen. Und im persönlichen Leben der Menschen Risse durch unterschiedliche Überzeugungen und Meinungen, aber auch durch Not, Krankheit, Ausgrenzung, Ablehnung und vieles mehr.

Gott heilt, kittet und verbindet unsere Risse

Als Christ ist Jesus Christus der Orientierungspunkt für mein Leben. Er hat sich berühren lassen von den Menschen und ihrer Not, von den Rissen ihres Lebens. Und er hat sich nicht links oder rechts dieser Risse positioniert, er hat kein politisches Statement abgegeben. Sein göttliches Statement: Die Liebe. In der Bibel finden wir viele Beispiele, wie er den Menschen begegnet ist. Ein Beispiel: Zachäus, ein Zolleintreiber, nahm den Leuten zu viel Geld ab und war aus diesem Grund ausgegrenzt. Als Jesus in seine Stadt kam, stieg er auf einen Baum, um Jesus zu sehen, denn er war klein. Als Jesus an ihm vorbeikam, rief er ihm zu: “Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.“ (Lk 19, 5) Er begegnete ihm mit Annahme, mit Liebe und die Umstehenden empörten sich und kommentieren „Er ist bei einem Sünder eingekehrt.“ (Lk 19,7) Seine Handlungsmaxime war die Liebe. Das ist für mich eine Einladung und Mahnung, mich an ihm zu orientieren. Und für mich ganz entscheidend: Ich darf darauf vertrauen, dass Gottes liebevoller Blick auch die Risse und Spalten in meinem Leben sieht.

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