Durch den Horizont sehen
Eine Nordseeinsel im Winter, wenige Menschen sind unterwegs. Wenn ich am Ende der Promenade angelangt bin, gibt es nur noch Strand, Dünen und Meer. Ich stehe da und staune über die Weite, über die Wucht der Wellen, über den Wind. Irgendwann landen meine Augen am Horizont.
Am Horizont endet meine Welt
Himmel und Wasser stoßen zusammen in einer dünnen Linie. Es sieht aus, als wäre unsere Welt am Horizont zugeklappt. Wie eine Muschel. Die obere und die untere Hälfte treffen aufeinander, eine geschlossene Einheit. Zwei gegensätzliche Empfindungen steigen in mir auf: Ich nehme meine Grenze wahr, bis zum Horizont kann ich sehen, und dann ist meine Welt zu Ende.
Wo meine Sicht begrenzt ist
Das erinnert mich an manche Situation in meinem Leben. Meine Sicht ist begrenzt: Ich bin eingeklemmt zwischen Aufgaben und Erwartungen, die ich nicht erfüllen kann. Ich sehe keinen Weg für Lösungen. Wenn Sorgen das Leben belasten, zieht der Horizont zu, nichts scheint mehr zu gehen.
Hinter`m Horizont geht’s weiter
Dort am Wasser mache ich aber noch eine andere Erfahrung: Das Meer stellt mich in seiner gewaltigen Größe in einen weiten Raum. Die Grenze verschwimmt. Ich fühle mich klein und gleichzeitig habe ich das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. Es ist, als könnte ich durch den Horizont sehen.
„Durch den Horizont sehen“- ein afrikanisches Sprichwort
Durch den Horizont sehen: In einer afrikanischen Sprache ist das die Übersetzung für unser Wort Glaube. Es ist ein Bild für das Lebensvertrauen, das aus dem Glauben an Gott entstehen kann. Es beschreibt das Gefühl, dass die Wirklichkeit Gottes weiter reicht als der Horizont, der mich begrenzt. Mich bestärkt das, nach Wegen zu suchen, da wo ich im Augenblick noch keine Perspektive sehe.
Menschen, die mir den Horizont aufbrechen
Manchmal sind es andere Menschen, die den Horizont für mich aufbrechen. Eine Kollegin, die anbietet mir Aufgaben abzunehmen. Oder ein Freund, der mir zuhört und mit mir nach Lösungen sucht. Auch manche Sätze aus der Bibel öffnen mir den Blick durch den Horizont, Verse, die Bilder von Weite erzeugen: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum" (Ps 31,9)
Ein Bild für meinen Glauben
Das Sehen durch den Horizont als Bild für den Glauben erschließt mir noch eine andere Sichtweise. Ich kann mein kleines Leben in den großen Horizont Gottes einzeichnen. Darin bin ich aufgehoben. Mit dem, was ich erlebe, bin ich eingebunden in den Horizont Gottes. So wie am Meer, wo in mir das Gefühl entstand, Teil von etwas Größerem zu sein.