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Neu werden beim Kleiderausmisten
GettyImages/Mariakray

Neu werden beim Kleiderausmisten

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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In diesen Tagen steht bei vielen Menschen das Einüben ins Verzichten auf dem Plan. „Sieben Wochen Ohne“ lautet das Motto, unter dem das Leben neu geordnet werden kann. Verzichten auf Alkohol, Fleischkonsum, Fernsehen und Süßigkeiten ist dabei verbreitet. Und es gibt weitere Möglichkeiten, sich in diesen sieben Wochen der Fastenzeit von ungeliebten Gewohnheiten zu verabschieden. Eine Rolle kann dabei die Kleidung spielen.

Jesus vergleicht das Fasten mit Kleidung flicken

Als Jesus von seinen Jüngern auf das Fasten angesprochen wird, antwortet er mit dem Satz: „Niemand flickt einen Lappen von einem neuen Kleid auf ein altes, sonst zerrreißt das neue, und der neue Lappen passt nicht zum alten Kleid.“ Wenn man es wörtlich nimmt, klingen die Worte Jesus wie eine Aufforderung, den Kleiderschrank zu sichten. Alte Stücke müssen aussortiert werden. Was passt nicht mehr? Was ist beschädigt? Oder worin fühle ich mich einfach nicht mehr wohl? Vielleicht will ich mir ein neues Aussehen geben. Zu einem neuen Leben gehört auch neue Kleidung.

Alte Kleidungsstücke sind wie alte Geschichten

Ich will die Sätze Jesu auch sinnbildlich verstehen. Dann geht es nicht mehr nur um Hemden und Hosen. Der Blick in den gelichteten Kleiderschrank macht deutlich, wie sehr Kleidungsstücke auch Symbole sind, und zwar für die Vergangenheit, die ich mit mir herumschleppe. Alte Kleidungsstücke sind wie alte Geschichten. Ich habe sie in der hintersten Schublade abgelegt, weil ich mich nicht trennen konnte, obwohl sie längst hätten aussortiert werden müssen. Die Sorge um alte Lappen und frische Kleider gleicht der Sorge um das eigene Leben.

Es gibt keine Müllabfuhr für abgelegte Erinnerungen

Und doch gibt es da ein Problem, denn aussortierte Kleider kann man in die Kleidersammlung geben, in der Hoffnung, dass damit noch etwas Sinnvolles angefangen wird. Aber was passiert mit aussortierten Gedanken und Gewohnheiten? Es gibt keine Müllabfuhr für abgelegte Erinnerungen und auch keine Sammelstellen für ausgediente Geschichten. Was soll ich mit ihnen machen, wenn ich sie loswerden will? Wohin mit alten Gewohnheiten und Einstellungen, die hinderlich geworden sind?

Gegenstände kann ich weggeben, geistige Zusammenhänge aber nicht. Sie häufen sich an und können zu Blockaden wachsen.

Das Ausmisten des Kleiderschrankes  - ein symbolischer Akt

Vielleicht hilft da ein kleiner Trick. Ich kann ganz gezielt einen Zusammenhang zwischen abgetragenen Kleidungsstücken und abgenutzten Geschichten herstellen. Auf diese Weise entsorge ich dann zusammen mit der alten Jacke auch die Erinnerung, die damit verbunden ist. Das Ausmisten des Kleiderschranks geschieht dann stellvertretend, wie ein symbolischer Akt: Auf diese Weise bekomme ich nicht nur Platz in meinem Kleiderschrank, sondern zugleich Ordnung in mein Leben. Und dann stehe ich tatsächlich wie neugeboren da. Wahrscheinlich hatte Jeses das auch gemeint, als er davon sprach, dass die alten Lappen nicht zum neuen Kleid passen.

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