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Das Zeitliche segnen
Bild: Pixabay / Stefan Schweihofer

Das Zeitliche segnen

Carmen Jelinek
Ein Beitrag von Carmen Jelinek, Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen
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Was ist ein Euphemismus? Das wollte Günter Jauch bei „Wer wird Millionär“ wissen.

A) stummer Schrei,
B) La-Ola-Welle,
C) das Zeitliche segnen oder
D) abgemacht ist abgemacht?

Der Kandidat scheiterte an der Frage, weil er das Fremdwort nicht übersetzen konnte. 
Die richtige Antwort war: „Das Zeitliche segnen.“ Die Redewendung „das Zeitliche segnen“ ist eine sehr sanfte Umschreibung für den Vorgang des Sterbens, eben ein Euphemismus.  

Wer oder was heutzutage das Zeitliche segnet 

Es ist erstaunlich, wie häufig heutzutage umgangssprachlich „das Zeitliche gesegnet wird“. In den seltensten Fällen sind es Menschen, von denen das gesagt wird. Da gibt es Geräte, die den Geist aufgeben, obwohl sie keinen haben und andere, die das Zeitliche segnen, obwohl sie ja gar nicht segnen können.

Woher die Redensart kommt

Ich habe mich gefragt, woher diese Redensart kommt und herausgefunden: Sie gehört ursprünglich zu einem Brauch aus dem 17. Jahrhundert. Wenn ein Mensch wusste, dass er sterben würde, und dies gut vorbereitet und bei klarem Bewusstsein tun konnte, dann hat er seine Familie gesegnet. An der Schwelle von dieser Welt zur anderen wollte der Sterbende als letztes die Menschen segnen, die er liebt. Ihnen Gutes wünschen für ihre verbleibende Lebenszeit. 

Alles wird mit einem freundlichen Blick bedacht 

Wenn also jemand „das Zeitliche segnet“, dann leuchtet das gemeinsam Erlebte noch einmal auf. Alles wird mit freundlichem Blick betrachtet. Und mit den schwindenden Kräften wendet sich der sterbende Mensch an seine Lieben und gibt seine Lebens- und Liebeskraft weiter an die Zurückbleibenden. 

Er sagt ihnen, wie viel sie ihm bedeuten. Er gönnt ihnen ihre weitere Zeit und wünscht ihnen Glück. Er vertraut sie der Güte Gottes an. So schließt er sein Leben in Liebe ab.

Getrost das Zeitliche segnen können  

Auch im Sterben kann man ein Mensch sein, von dem Segen ausgeht.

Mir gefällt diese Vorstellung, im Sterben die Zurückbleibenden zu segnen. Der Abschied angesichts des Todes wird dabei bewusst gestaltet. 

Ja, manchmal ist ein Abschied nicht möglich. Jemand stirbt einen plötzlichen Herztod oder hat einen tödlichen Unfall. Aber viele können sich auf ihr Sterben vorbereiten.

In solchen Situationen betrachte ich es als Segen: 
Auf sein Leben zurückzuschauen – dabei auch eigene Schuld und Versagen nicht verdrängen und dem Tod ins Auge sehen. Denen, die ich zurücklasse, ihr Lebensglück gönnen. Wo ich dazu die Gelegenheit habe, kann ich getrost „das Zeitliche segnen“.

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