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Verantwortung ist jetzt
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Verantwortung ist jetzt

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Ich bin modernen Gedenktagen gegenüber immer ein bisschen skeptisch – für mich hat das oft so ein „Geschmäckle“. Nach dem Motto: Wenn wir einen Gedenktag ausrufen, brauchen wir uns sonst nicht zu kümmern.

Sogar mit dem 27. Januar ging es mir ein bisschen so. Aber in diesem Jahr bin ich richtig dankbar für diesen Gedenktag. Heute ist der offizielle Gedenktag des Holocaust. Heute vor 79 Jahren, am 27. Januar 1945, hat die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. Über eine Million Menschen wurden dort von den Nationalsozialisten ermordet. Auch Sinti und Roma, Homosexuelle, politische Gefangene, Kranke und Menschen mit Behinderung waren Opfer des NS-Terror-Regimes. 

Die hässliche Fratze des Antisemitismus

Ich bin dankbar, dass es diesen Tag gibt, weil es ein Anlass ist, darüber zu sprechen: Der Terror des Nationalsozialismus fing nicht mit den Gaskammern an. Er fing damit an, dass Leute von „die“ und „wir“ sprachen. Er fing damit an, dass „die“ Schuld daran sind, dass es „uns“ schlecht geht. Es fing damit an, dass Gruppen von Menschen willkürlich Grundrechte aberkannt wurden.

Wir haben in den letzten Monaten erlebt: Die hässliche Fratze des Antisemitismus wird in Deutschland noch sichtbarer als bisher. Menschen in Deutschland beschmieren Häuser mit Davidsternen und bedrohen Menschen jüdischen Glaubens. Der Polizeischutz vor jüdischen Schulen und Synagogen muss verstärkt werden.

Ich will mich dagegen wehren

Ich will das alles nicht! Ich will nicht in einem Land leben, das aus seiner Geschichte nichts gelernt hat. Ich will nicht in einem Land leben, in dem – wer auch immer – wegen seiner Identität angepöbelt wird. Ich will mich dagegen wehren, weil es so falsch ist.

Es gibt sehr viele Gründe, etwas gegen Hass und Hetze zu tun. Besonders gegen antisemitischen Hass und judenfeindliche Hetze. Mein Beitrag ist es, heute wieder einmal daran zu erinnern, dass Vernichtung nicht mit den Gaskammern anfing – sondern mit dem der Behauptung: „Die sind schuld“.

Für ein simples „die“ und „wir“

Als im Oktober der Krieg zwischen Hamas und Israel begann, war ich schockiert – wie so viele. Schockiert über den Terror, schockiert über das Blutvergießen an unschuldigen Männern, Frauen und Kindern - und auch schockiert über die schnellen Schuldzuweisungen. Für ein simples „die“ und „wir“ ist die Lage zu komplex – in Deutschland und an vielen anderen Orten.

Als Deutsche und als Christin will ich, dass Menschenfeindlichkeit ein Ende hat. Ich will mich meiner Verantwortung stellen. Der Holocaustüberlebende Max Mannheimer hat es so begründet: Wir sind nicht schuld an dem, was geschah, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht. 

Jetzt widersprechen und für Frieden eintreten

Deshalb erinnere ich daran und setze mich dafür ein: Jetzt widersprechen, jetzt für Frieden eintreten, jetzt Menschen schützen. Jetzt tun, was jede und jeder einzelne tun kann – und als allererstes heißt das: nicht schweigen zu Menschenverachtung und Ausgrenzung!

 

 

 

 

 

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