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Ohne Bruch kein Neuanfang / Kein Neuanfang ohne vorherigen Bruch
Bild: Anrita auf Pixabay

Ohne Bruch kein Neuanfang / Kein Neuanfang ohne vorherigen Bruch

Judith Vonderau
Ein Beitrag von Judith Vonderau, Katholische Autorin bei "kirche im hr", Bad Orb
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Einmal kurz nicht aufgepasst und zack, ist mein Lieblingsteebecher runtergefallen. Und vor mir auf dem Boden liegen nur noch braungesprenkelte Scherben. Die hellen Bruchkanten leuchten mir entgegen.

Das ärgert mich, denn diesen Becher mochte ich so gern. Mit ihm sind viele schöne Erinnerungen verbunden, an die ich jedes Mal denken musste, wenn ich ihn in der Hand hatte.

Der Becher ist aus Ton und von Hand getöpfert. Das allein schon macht ihn für mich wertvoll. Da hat sich jemand Zeit genommen und Mühe gemacht, um diesen Becher herzustellen: zu formen, auszubessern, zu brennen und zu lasieren.

Aus Scherben etwas Neues erschaffen

Jetzt liegen die Scherben vor mir; der Becher ist zu Bruch gegangen. Für mich ist es auch ein kleiner Bruch in meiner Routine, weil ich meinen Tee ab jetzt aus einer anderen Tasse trinken muss.

Das Wort „Bruch“ bringt mich zum Nachdenken: Oft wird ein Bruch als Abbruch verstanden, als etwas, das aufhört und nicht mehr ist; eine klare Zäsur. Wie zum Beispiel, wenn ein Mensch stirbt: Etwas hört auf und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Aber wenn ich mir die Tonscherben in meiner Hand anschaue, dann glaube ich, muss das nicht immer so sein. Ton ist ein Material, das nicht einfach irgendwann endet und auf den Müll geworfen wird. Ton gehört in einen Kreislauf. Zerbrochene Tongefäße wurden schon vor Jahrtausenden wiederverwendet. Die Bruchstücke wurden zerkleinert und dem frischen Ton gemischt. Schamotte-Magerung heißt das. Die Konsistenz des Tons ändert sich dadurch und es lässt sich gut mit dem Gemisch arbeiten. Das Alte, Zerbrochene, ist nicht verloren, sondern wird sinnvoller Bestandteil des Neuen.

Vielleicht ist es ja im Leben ähnlich wie mit dem Ton: Ein Bruch muss nicht immer ein Abbruch sein. Ein Bruch kann auch Umbruch sein. Und schließlich ist jeder Bruch die Voraussetzung für einen Neuanfang.

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