Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Pause für die Powerfrau
GettyImages/Vladimir Vladimirov

Pause für die Powerfrau

Ralf Schweinsberg
Ein Beitrag von Ralf Schweinsberg, Pastor der evangelisch-methodistischen Kirche in Gründau-Rothenbergen
Beitrag anhören:

Vielleicht hat sich Marta diesmal doch zu viel vorgenommen. Einen Menschen zum Essen einladen geht ja noch. Aber gleich zwölf Leute oder mehr! Was soll sie nur kochen? Es muss etwas Besonderes sein, denn es ist ja auch ein besonderer Gast dabei: Jesus aus Nazareth.  

Martha, die Macherin, kommt an ihre Grenzen

Mich hat Marta und ihre Geschichte schon immer fasziniert. Weil Marta eine Macherin war. Sie hat Herausforderungen angenommen, und sei es ein großes Menü für ein Dutzend Leute. Mir zeigt diese Geschichte, dass auch eine Macherin an ihre Grenzen kommt. Und darin finde ich mich wieder. Ich sehe mich auch oft als Macher – und habe ebenfalls erfahren, dass ich an Grenzen komme. Ich fühl mich mit Marta verbunden.

So wie Jesus sprach niemand sonst von Gott

Marta hat nicht einfach den Mund gehalten, als es darum ging, wer Jesus und seine ganze Truppe zum Essen einlädt. Denn seine Ausstrahlung hatte sie gleich gefesselt. So wie er sprach niemand von Gott. Wenn er sie ansah, dann hatte sie das Gefühl, dass er wusste, was ihr wirklich fehlt.

Manchmal erzählte Jesus Geschichten. Am Ende hatte Marta das Gefühl, darin steckt ganz viel Lebensweisheit. So wie er sprach niemand über das Leben, die Liebe, über Gott und die Menschen.

Jesus sollte sich wohlfühlen

Jetzt bekam sie die Chance, ihn in ihr Haus einzuladen. In ihrem Kopf entstand ein Plan. Jesus sollte sich bei ihr wohlfühlen. Es sollte an nichts fehlen. Jesus hat so viel für die Menschen getan. Jetzt sollte er es richtig guthaben, auch wenn das für sie viel Arbeit bedeutete.

Ich stelle mir vor, wie das Haus nach frischem Brot duftet. Damals backte man das Brot immer frisch. Und bereitete alle Speisen frisch zu, so machte das auch Marta mit dem, was sie auf den Tisch brachte.

Marta nimmt die Einladung in die Hand und kümmert sich um alles

Marta war eine starke Frau. Sie wusste genau, was sie will. Sie nahm die Sache in die Hand. In einer Zeit, als Frauen nicht viel zu melden hatten. Außerdem hatte sie auch sonst schon ziemlich viel am Hals. Sie hatte viel zu tun und war gleichzeitig für die Familie da.

MUSIK

Marta lebte mit ihrer jüngeren Schwester Maria und ihrem Bruder Lazarus in einem Haushalt. Lazarus war krank, er brauchte vermutlich Pflege. Ansonsten hätte er Jesus eingeladen und wäre als Hausherr aufgetreten. So ist es die starke Marta, die alles organisiert und sich noch um ihren kranken Bruder kümmert.

Es gibt viele solcher "Martas"

Mir kommen einige solcher „Martas“ in den Sinn. Frauen und auch Männer, die jede Menge in Beruf und Familie zu tun haben. Sie erziehen ihre Kinder, manchmal sogar allein. Sie legen nach der Arbeit nicht die Füße hoch. Sie bringen das Essen auf den Tisch. Sie kümmern sich um Hausaufgaben und um die Sorgen ihrer Kinder. Sie bringen sie zum Fußball oder holen sie irgendwo ab. Wenn am Abend endlich Ruhe einkehrt, wird Wäsche gewaschen, die Wohnung geputzt oder der Papierkram erledigt. Manche kümmern noch sich am Wochenende um ihre alten Eltern.  

Solche Martas sind beinah perfekt organisiert. Sie leisten unglaublich viel. Aber es kostet auch unglaublich viel Kraft. Solange alles läuft, spürt man das gar nicht. Aber dann passiert nur eine Kleinigkeit, und es wird alles zu viel.

Maria sitzt einfach nur am Tisch und hört Jesus zu

Die Kleinigkeit bei Marta war das Verhalten ihrer Schwester. Marta sieht ihre Schwester Maria gemütlich bei Jesus und seinen Jüngern am Tisch sitzen. Sie sitzt einfach nur da und hört Jesus zu. Während Marta rotiert: Sie läuft zwischen Küche und Tisch hin und her, kocht, bedient, räumt ab, schenkt nach.

Während Maria - einfach nur dasitzt. Und Jesus und seine zwölf Jünger essen. Dann fing Jesus an, von Gott zu erzählen und den Menschen. Das war eigentlich der Grund, warum Marta ihn eingeladen hatte. Die Geschichten von Liebe zwischen Gott und den Menschen. Die Worte, die weiterhelfen und trösten. Marta kann sie nicht hören, denn sie hat so viel zu tun.  

Marta platzte der Kragen

Sah Maria nicht, was es zu tun gab? Und sah Jesus das nicht? Das konnte nicht wahr sein. Aber Jesus sagte nichts. Da platzte es aus Marta raus: „HERR, findest DU es richtig, dass meine Schwester mich die ganze Arbeit allein tun lässt? Sag ihr doch, dass sie mir helfen soll!“ Bis jetzt hatte Marta alles allein gemanagt. Aber jetzt reicht’s.

"Maria hat das Bessere gewählt, das wird ihr niemand mehr wegnehmen"

Und, was sagt Jesus? „Marta, du bist so besorgt und machst dir Gedanken um so vieles. Aber nur eines ist notwendig: Maria hat das Bessere gewählt, das wird ihr niemand mehr wegnehmen.“

Puh. Mit so einer Antwort hat Marta nicht gerechnet. Ich stell mir vor: Gefreut hat sie sich nicht. Bestimmt sogar geärgert. Doch ich stell mir auch vor: Am Ende hat sie der Satz von Jesus weitergebracht. Denn ich kenn das auch. Was Unerwartetes, auch Schwieriges, manchmal zuerst Ärgerliches, hat auch mich schon auf eine neue Spur gebracht.

MUSIK

Plötzlich merkt man, dass es so nicht weitergeht

Ich fühl mich mit Marta, der Macherin, verbunden. Ich kenne das: Viel machen und dann zu merken, so geht’s nicht weiter. Bei mir war dieser Punkt die Diagnose einer schweren Erkrankung in meiner Familie. Bis dahin war ich wie Marta. Ich habe viele Dinge am Laufen gehalten, war immer stolz darauf, wieviel da noch ging. Ich fühlte mich nicht einmal überlastet, sondern gut ausgelastet. Ich war stolz auf mich, wie ich alles auf die Reihe bekam.

Nach der Erkrankung in meiner Familie war es mit einem Schlag aber einfach zu viel. Zuerst versuchte ich noch, wie Marta, meine Arbeit und die neue Situation auf die Reihe zu bringen. Aber das war nicht zu schaffen. Es lief einfach nicht mehr.

Offen mit den Belastungen umgehen, ist keine Kapitulation

Bis ich angefangen habe, offen damit umzugehen. Bis ich anderen erzählte, was mich so aus der Bahn warf. Ich wusste nicht, ob und was das bringen würde. Doch es ging einfach nicht mehr. Ich konnte nicht mehr alles alleine schaffen.

Was ich als Kapitulation empfand, war der Anfang von etwas Neuem. Ich wurde überrascht von den Menschen um mich herum. Selbst Leute, die ich nur wenig kenne, haben mir ihre Hilfe angeboten. Und sie haben viel Verständnis, wenn jetzt nicht mehr alles so läuft, wie gewohnt, wenn Dinge auch einmal liegen bleiben. Und ich werde immer wieder gefragt, was man mir noch abnehmen kann.

Das hätte ich nicht erwartet. Ich dachte, ich muss stark sein. Habe meist etwas verächtlich auf Menschen wie Maria gesehen, die scheinbar nicht so viel leisten. Mich hinsetzen, so wie Maria, war mir fremd.

Es ist schwer zu den eigenen Grenzen zu stehen

Seit der Krankheit in meiner Familie sind einige Wochen vergangen. Ich merke, dass ich immer noch eine echte Marta bin. Immer noch will ich die Dinge alleine hinbekommen und tue mich schwer, auch zu meinen Grenzen zu stehen. Obwohl ich früher zu anderen gesagt habe: „Es ist ein Zeichen der Stärke, die eigene Schwachheit zuzulassen“. Aber das selbst zu leben, werde ich noch lange üben müssen.   

Daher tut es mir gut, dass Jesus nicht einfach Maria auffordert hat, ihrer großen Schwester zu helfen. Jesus hat auch mich damit zum Nachdenken gebracht. Immer weitermachen, immer weiter mit demselben Muster bringt mich nicht immer weiter. Auch das ist ein Stück vom Leben, das gelingt, von dem Jesus spricht.

Ich denke: ich habe beides in mir, viel Marta. Und jetzt auch ein wenig Maria. Ich musste lernen: Das ist keine Schwachheit, sondern etwas sehr Gutes. Mich auch mal hinzusetzen. Zu hören, was jetzt dran ist und mir helfen lassen. 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren