Toleranz lernen im Kloster
Moderator:in: Heute ist Internationaler Tag für Toleranz, 1995 ist der von der UN ausgerufen worden und wird seither begangen, mit Aktionen und Aufrufen, auch bei uns in Hessen. Beate Hirt, du arbeitest für die katholische Kirche: die ist ja nicht gerade bekannt als Vorkämpferin für Toleranz. Bei Religionen denken viele eher an Diskriminierung oder intolerantes Festhalten an eigenen Wahrheiten oder sogar an Kriege zwischen Religionen…
Und das hat natürlich Gründe. Jede Religion hat ihre intoleranten Auswüchse, nicht nur der Islam. Auch in der Geschichte des Christentums hat‘s ja furchtbar viel Intoleranz und Gewalt gegeben, auch Religionskriege, wie etwa nach der Reformation. Und trotzdem ist für mich Religion auch eine ganz wichtige Wurzel für Toleranz. Ich muss da zum Beispiel an ein katholisches Kloster in Frankreich denken, in das ich immer mal wieder fahre für ein paar Tage Auszeit…
Oh, ein katholisches Kloster als Ort der Toleranz, das klingt ja eher ungewöhnlich…
Ja, aber das ist es für mich wirklich: Ich lerne da bei den Klosterschwestern, wie Toleranz gehen kann. Und was das mit Religion zu tun hat. Die Schwestern dort, die strahlen ne tiefe Glaubensgewissheit aus. Sie sind davon überzeugt: Gott hat alle Menschen geschaffen und liebt jeden und jede Einzelne. Und deshalb nehmen auch sie alle Menschen an, die zu ihnen kommen, mit großer Gastfreundschaft. Und das sind eben nicht nur katholische Menschen, sondern auch evangelische, muslimische, jüdische oder glaubenskritische. Ich hab dort im Kloster erlebt: Je fester ich in meinem Glauben verankert bin, desto freier und freundlicher kann ich mit Menschen umgehen, die anders glauben und leben. Das nehm ich von dort mit. Gott zeigt sich jedem Menschen anders. Und Gott liebt jeden Menschen gleich.
